I Rapporti dimenticati tra Occidente e Oriente nel Medioevo – Der fin’amors und die scuola siciliana im Kontext der arabischen Liebesdichtung

· Alexandra Schwab ·


PID: http://hdl.handle.net/21.11108/0000-0007-F443-A

«È ormai assodata l’influenza di molte fonti musulmane sull’autore della Divina Commedia. Ma oggi, turbati dalla violenza fondamentalista, tendiamo a dimenticare i rapporti profondi tra la cultura araba e quella occidentale.» So lautet die zentrale These in Umberto Ecos Artikel «Dante e l’Islam» im Espresso vom 12. Dezember 2014, den Eco anlässlich der Neuauflage der italienischen Übersetzung von Miguel Asín Palacios’ Buch La escatologia en la Divina Commedia unter dem eingängigeren Namen Dante e l’Islam bei Luni veröffentlicht1 und in dem er sich fragt, ob es noch Sinn hat, dieses Buch zu lesen. Für Eco kann es darauf nur eine Antwort geben:

Lo ha ai giorni nostri quando, turbati dalle barbare follie del [sic] fondamentalismi musulmani, si tende a dimenticare i rapporti che ci sono sempre stati tra la cultura occidentale e la ricchissima e progredita cultura islamica dei secoli passati.

Man kann Eco nur zustimmen, wenn er meint, dass man die tiefen Beziehungen, die im Mittelalter zwischen Okzident und Orient bestanden, heute aufgrund der politischen Situation allzu leicht vergesse. Dabei muss man aber auch bedenken, dass diese Näheverhältnisse nicht auf die Divina Commedia begrenzt sind. Dennoch kann man Eco nur recht geben, wenn er schreibt, der islamische Einfluss auf Dantes opus magnum stehe heutzutage eigentlich fest. Man kann hierbei darauf verweisen, dass die islamischen Jenseitsvorstellungen, die mi’rāǧ, also der Aufstieg des Propheten Mohammed sowie dessen Abstieg in die Hölle, die in der islamischen Tradition im Zusammenhang mit der isrā, der nächtlichen Reise des Propheten, beides unter der Führung des Erzengels Gabriel, zu sehen sind, im christlichen Abendland zirkulierten. Vor allem Maria Corti kommt in diesem Kontext das Verdienst zu, eine wirkliche Quelle für Dantes Commedia eruiert zu haben: den Libro della Scala.2 Dabei analysiert sie den Libro genau, der im 8. Jahrhundert verfasst und 1264 an der berühmten Schule von Toledo, die von Alfons dem Weisen gefördert wurde, erst ins Kastilische und dann ins Lateinische sowie Altfranzösische übersetzt wird, und kann so einen exakten intertextuellen Bezug herausarbeiten, indem sie verschiedene Episoden aufzählt, die alle im Libro della Scala und der Commedia auftauchen und einen analogen strukturellen Aufbau aufweisen.3 Auch Cesare Segre teilt die These Cortis, dass sich Dante bei der Komposition seines opus magnum am Libro della Scala orientiert, was vor allem in den 1950er-Jahren nach der Veröffentlichung der lateinischen und französischen Versionen des Libro della Scala zu einer Debatte über den Einfluss auf Dantes Commedia führt. Diese Versionen «[mostrano] l’agevolezza, e persino la probabilità di una conoscenza di quel testo da parte di Dante.»4 Segre stellt zwar auch viele andere, christliche Einflüsse auf die Divina Commedia fest, obwohl bereits Asín Palacios darlegt, dass auch diese eine islamische Quelle haben,5 sieht aber die stärkste Parallelität zwischen dem Libro della Scala und der Commedia, sowohl was Inferno als auch Paradiso betrifft: «Come per l’Inferno, la descrizione del Paradiso più vicina a quella di Dante è nel Libro Scala6 Obwohl der Erwartungshorizont von Corti und Segre unterschiedlich ist, da Segre die Jenseitsvorstellungen der Menschen allgemein analysiert und Corti zwischen Libro della Scala und Commedia eine konkrete Intertextualität aufzeigen möchte,7 lässt sich dennoch anmerken, dass es auch in der Divina Commedia einen arabischen Einfluss gibt.

Aber der arabische Einfluss beschränkt sich eben nicht nur auf Dantes opus magnum, sondern man kann auch eine große Nähe zwischen der okzidentalen und orientalischen Kultur in Bezug auf die europäische Liebesdichtung sehen, die ihren Ausgang bekanntermaßen von der provenzalischen Liebeslyrik nimmt, dem fin’amors also. Bereits Girolamo Tiraboschi schreibt in seinem Vorwort zu Giovanni Maria Barbieris Dell’origine della poesia rimata Folgendes: «Sarà sempre vero ciò, che l’Ab. Andres, e prima di lui il Barbieri, hanno asserito, che la Provenzal poesia dovette molto all’Arabica.»8 Er schließt damit seine Betrachtungen zu der großen Streitfrage des 18. Jahrhunderts nach den Ursprüngen des Reims und damit verbunden dem arabischen Einfluss auf die provenzalische Dichtung, denen er in seinem Vorwort gewissen Raum schenkt. Tiraboschi, der das Werk aus dem 16. Jahrhundert 1790 herausgibt, stellt Barbieris – nicht absolut zu setzende – These, wonach das Abendland die gereimte Dichtung von den Arabern in al-Andalus entlehnt habe, somit in den Kontext der Polemik des 18. Jahrhunderts. Er teilt dabei Barbieris These und hebt hervor, dass auch der bereits erwähnte Giovanni Andrés in seinen Origine, progressi e stato attuale d’ogni letterratura zum gleichen Schluss komme.9 In seinem Vorwort verteidigt Tiraboschi nun diese Auffassung gegen Stefano Arteaga und seine Rivoluzioni del Teatro Musicale Italiano.10 Die These, wonach ein starker arabischer Einfluss auf die provenzalische Lyrik vorhanden ist, die in der Forschungsliteratur allgemein als «arabische Theorie» bezeichnet wird,11 kann durch eine solide Erörterung legitimiert werden, die mehrere Faktoren miteinbezieht, wie motivisch-thematische und strukturelle Parallelen sowie eine gegebene Kontaktsituation, die eine Interaktion überhaupt erst möglich macht. Man muss auf jeden Fall festhalten, dass für beide Liebesdichtungen, die arabische und die provenzalische, gilt, dass sich die göttliche Schönheit im Medium der menschlichen Schönheit spiegelt. Die Gottesliebe und die Menschenliebe werden hier wie dort zu einer Einheit, zu einem einzigen bonum, und nicht wie im christlichen Abendland, man denke hierbei an Augustinus, in caritas und cupiditas aufgespalten.12 Die arabische Liebesdichtung zeichnet sich einerseits durch einen (neu-)platonischen Zug aus, der vor allem im Konzept der höfischen Liebe13 seinen Ausdruck findet, welches von Dichtern wie al-’Abbās Ibn al-Ahnāf14 praktiziert und von Gelehrten wie Ibn Hazm im Halsband der Taube theoretisch dargestellt wird; andererseits aber – angesichts ihrer historischen Einbindung in den Orient und ihrer weiteren Entwicklung – auch durch eine reiche Bildsprache, die die/den Geliebten15 sowie die dazugehörige Schönheit facettenreich schildert. So ist «die Darstellung der Schönheit in der arabischen Liebesdichtung […] wohl eine der bilderreichsten und ausdruckvollsten der Weltliteratur».16 Die zwei unterschiedlichen Tendenzen der Liebe, eine, die den inneren Wert der geliebten Person ins Zentrum rückt, und eine, die die sinnliche Komponente schildert, kann man schon in der vorislamischen Zeit erkennen, wobei «zum einen […] mithilfe einer bilderreichen Sprache die Schönheit der Geliebten und deren erotischen [sic] Anziehungskraft gepriesen [werden], die Dichter sich [zum anderen] eher von einer emotionalen Seite [zeigen].»17 Sie bilden dann die Voraussetzung für die unterschiedlichen Strömungen der erotisch-sinnlichen und der keuschen Liebesauffassung, die sich während der Umayyaden-Herrschaft sowie in der späteren klassischen Abbasiden-Epoche herausbilden.18 Erst im 7. Jahrhundert, einhergehend mit den großen Umwälzungen im Früh-Islam und während der Umayyaden-Herrschaft, entsteht in der arabischen Gesellschaft eine eigenständige Liebesdichtung, das Gazal.19 Dabei nimmt die Liebesdichtung in der Umayyaden-Zeit aber zwei verschiedene Ausprägungen an, die man als ’udrītisch und hidschasisch bezeichnet – allerdings sollte man in diesem Zusammenhang bedenken, «daß es keine scharfe Trennungslinie zwischen der ’udrītischen und hiǧāzischen20 Liebesdichtung gibt, daß sich vielmehr die Verse, die eher dem einen Typus entsprechen würden, auch bei Dichtern der jeweils anderen Richtung finden»21 lassen. Die ’udrītischen Dichter vertreten eine keusche Liebesauffassung, bei der die Schmerzliebe im Vordergrund steht. Die hidschasische Dichtung dagegen ist realistische Liebesdichtung, bei der die Liebe erfüllt ist und deshalb positiv gesehen wird. In der ’udrītischen Liebesdichtung wird besonders stark die Unersetzbarkeit der Geliebten betont, der der Dichter auch dann noch treu bleibt, wenn jede Vereinigung ausgeschlossen ist. Thomas Bauer stellt zur ’udrītischen Liebe heraus: «Da eine solche Vereinigung aber unmöglich ist, führt diese Treue zu Krankheit, Wahnsinn und schließlich zum Tod des Liebenden.»22 So kann es zum Topos werden, dass Mitglieder des Stammes der ’Udra sterben, wenn sie sich verlieben – ein Topos, der auch noch in Heinrich Heines Gedicht Der Asra nachwirkt.23 Das berühmteste ’udrītische Liebespaar bilden Laila und Madschnun, die auch oft als Romeo und Julia aus der Wüste bezeichnet werden.24 Die ’udrītische Liebesauffassung erscheint im Rahmen des Artikels besonders relevant zu sein, beeinflusst sie doch eine neue Art der Liebesdichtung in der früh-abbasidischen Zeit, die der Zurafa entspringt, einer Gruppe junger Edelleute, die die Liebe absolut setzen und deren wichtigster Repräsentant der bereits erwähnte al-’Abbās Ibn al-Ahnāf ist, der sogar von einem ethischen Wert, einer veredelnden Wirkung der Liebe ausgeht, die zur humanitas25 führe. Dieses platonische Liebesideal, geprägt durch die Rezeption (neu-)platonischen Gedankenguts sowie mystischer Sufi-Dichtungen, wird bei der Zurafa, die eine Art Gegenwelt erschaffen möchte,26 mit der ’udrītischen Liebe verknüpft, die zum Ideal (neu-)platonischer Liebe erklärt wird. So können die ’udrītischen Dichter in der Abbasiden-Zeit auch zu Helden sentimentaler Liebesromane werden, «in denen das bei den ’Udrīten häufige Bild des Todes […] mit all denjenigen Elementen des ‹Liebestodes› ausgestattet [wird], die auch in der europäischen Romantik so starke Anziehungskraft [entfalten].»27 Die neue Art der Liebesdichtung, die höfische Liebesdichtung, kann man mit Dina El Omari folgendermaßen zusammenfassen:

Die Liebe und das Verlangen bleiben unerfüllt, sie sind eine Qual, und der Dichter ist zum Leiden verurteilt. Die unerreichbare Geliebte ist ein grausames und tyrannisches Wesen, hat aber gleichzeitig alle moralischen Vorzüge, die eine Frau haben kann. Zudem ist sie von einer umwerfenden Schönheit, deren Details der Dichter aber verborgen hält. Er ist ihr unterworfen und muss ihr treu zu Diensten sein, notfalls sogar in den Tod. Der Liebende muss das Geheimnis seiner Liebe wahren und darf den Namen der Geliebten nicht preisgeben.28

Die Parallelität zur Trobadorlyrik erscheint offensichtlich. Ebenso scheinen auch die Bildbereiche der Schönheitsbeschreibung beider Liebesdichtungen teilweise analog zu sein. Hier sind vor allem die Beschreibungen der Zähne interessant, die mit Kamillenblüten oder Perlen verglichen werden:29 Sie sind einerseits im Kontext des Hohelieds zu sehen,30 andererseits verweisen sie auf die petrarkistische Liebeslyrik voraus. Die größte Parallelität zwischen beiden Liebesdichtungen liegt aber in der Beschreibung der Augen und vor allem der Wirkung des Blicks der geliebten Person. So verweist El Omari darauf, dass die Liebe in der arabischen Liebesdichtung oftmals durch den Blick entsteht.31 Auch Ibn Hazm misst in Das Halsband der Taube den Augen ein großes Gewicht bei, meint aber trotzdem, dass wahre Liebe erst entstehe, wenn man geraume Zeit mit einer Person verbracht und sich lange mit ihr unterhalten habe. Für das Bild der Augenliebe wird dann das Bild der «räuberischen» oder «gefangennehmenden» Augen geschaffen, das auch in der provenzalischen und italienischen Liebeslyrik existiert. Signifikantes Beispiel für dieses Bild ist Petrarcas erste Begegnung mit Laura im Sonett Era ’l giorno ch’l sol si scoloraro.32 Vor allem das Motiv der gefangennehmenden Augen weist auf eine schmerzliche Liebeserfahrung hin, da «der Bezug zum Gefängnis nicht nur die Abhängigkeit, sondern die Machtlosigkeit des Verliebten aufgrund der Tatsache, dass er sich nicht aus diesem Gefängnisdasein befreien kann, ausdrückt.»33 Das beliebteste Motiv, diese schmerzvolle Wirkung des Blicks der geliebten Person metaphorisch adäquat umzusetzen, ist das des Beschusses mit Augenpfeilen,34 das in der scuola siciliana mit dem antiken Liebesgott Amor in Verbindung gebracht wird.35 Auch die Wangen weisen in ihrer Beschreibung einige Parallelen mit der Trobadorlyrik sowie späteren europäischen Liebesdichtungen auf. So sehen wir in der Beschreibung der Wangen die Dominanz eines Bildbereiches, der sich aus der Flora und Fauna speist. Bauer verweist auf «Äpfel», «Rosen»36 und den «Garten» allgemein als Bildspender.37 Diese Motivik erweitert sich in al-Andalus,38 da «die hispano-arabischen Dichter besonders mit ihrer Naturdichtung unter den Dichtungen des arabischen Raums»39 hervorstechen. Die Dichtung von al-Andalus ist nicht nur unter inhaltlichen Gesichtspunkten signifikant, sondern auch unter formalen.40 So entstehen in al-Andalus Strophenformen wie Muwaššah und Zaǧal,41 das in hispano-arabischem Dialekt42 verfasst ist. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei die Haǧar, der Schlussvers, der in volkstümlicher Manier die Liebesklage einer verliebten Frau wiedergibt, da sie entweder in klassischem Arabisch, hispano-arabischem oder romanischem Dialekt der in al-Andalus lebenden Christen, dem Mozarabischen, abgefasst ist.43 Im Kontext der arabischen Liebesdichtung ist aber auch festzuhalten, dass der (neu-)platonische Strang nicht nur in der höfischen Liebesdichtung, sondern auch in der Dichtung der Sufis existiert, die sich unter dem Namen Aflātūn auf Platon berufen.44 So verweist Claudia Ott auch darauf, dass die

Grenzen der Liebesdichtung [der Araber, Anm. der Verf.] fließend [sind]: Ein und dasselbe Liebesgedicht kann religiös, philosophisch, mystisch, aber auch panegyrisch gedeutet werden, und dass mystische «Gedichte [...] generell zwischen Gottesliebe und irdischer Liebe [changieren]».45

Deshalb ergänzen und befruchten sich die profane und die mystische Dichtung auch immer wieder gegenseitig. Annemarie Schimmel zufolge lassen sich die Liebesdichtungen der Sufis auf mehreren Sinnebenen lesen, da die göttliche Schönheit sich auch in einem geschaffenen Medium spiegeln und durch ein irdisches Wesen aufscheinen könne. Ein schöner Mensch könne also die Seele entflammen und die so entstandene Liebe sei die absolute Liebe zu Gott.46 Hierfür steht vor allem das poetische Werk Ibn ’Arabīs, der seine Liebesgedichte an seine «Herrin» Nezam in seinem Diwān turǧumān al-ašwāq (Der Dolmetscher der Sehnsüchte) mystisch auslegt47 und seinen östlichen Sufi-Brüdern wie Hafiz48 oder Rūmī49 in nichts nachsteht, die in ihren Liebesdichtungen eigentlich die Liebe besingen, die auf Gott verweist. Es ist nachvollziehbar, dass die Sufi-Dichtung auch auf die profane Dichtung wirkt, die ihrerseits wieder die Sufi-Dichtung beeinflusst. Schimmel schreibt hierzu: «Die Vieldeutigkeit des Liebeserlebnisses […] führt zu dem Gebrauch erotischer Symbole durch die Mystiker und mystischer Ausdrücke durch die profanen Dichter.»50 Es sei darauf verwiesen, dass das bereits zitierte udrītische Liebespaar Laila und Madschun auch in der Sufi-Dichtung zu einem Modell mystischer Liebe wird.51 In der arabischen Liebesdichtung wird die weibliche Schönheit als Medium der göttlichen Schönheit gesehen. Georg Bossong merkt dazu an, dass das Objekt der Liebe in der arabischen Liebespoesie «eine Verkörperung der als überzeitlich, gleichsam archetypisch empfundenen Schönheit»52 sei. Die Liebe zur schönen Gestalt erlangt dadurch anagogische Wirkung. Aber auch im fin’amors wird die Liebe ein einziges bonum, das das lyrische Ich veredelt, was nur durch die Vermittlung des (neu-)platonischen Liebesdiskurses mittels der arabischen Liebesdichtung erklärt werden kann. Der Einfluss beschränkt sich aber nicht nur auf diesen Aspekt und somit kann die «arabische Theorie» durch eine solide Erörterung legitimiert werden, was reziprok die These einer Übernahme des (neu-)platonischen Liebesdiskurses durch die Transmission seitens der arabischen Liebeslyrik erhärtet. Die Argumentation bezieht dabei mehrere Faktoren mit ein, wie motivisch-thematische und strukturelle Parallelen sowie eine gegebene Kontaktsituation, die eine Beeinflussung überhaupt erst möglich macht. So gibt es auch nicht nur in der Konzeption Parallelen, sondern die ganze Liebeskonstellation erscheint analog. In der arabischen höfischen Liebesdichtung ist eine tyrannische Dominanz der Geliebten über das lyrische Ich zu erkennen, das mit absoluter Unterwürfigkeit und Abhängigkeit reagiert.53 Dieses unterwürfige Verhältnis lässt eine Analogie zum servitium amoris des fin’amors erkennen. Ebenso kann man in der Pflicht nach Geheimhaltung der Liebe und vor allem des Namens der Geliebten eine Similarität entdecken.54 Sieht man sich nun beide Dichtungen, die arabische Liebeslyrik und die Trobadordichtung, en détail an, so kann man verschiedene motivische Analogien feststellen. In der Forschungsliteratur zur «arabischen Theorie» taucht dabei immer wieder die Übereinstimmung der Verwendung der männlichen Form, midons, sowohl in der Trobador- als auch in der arabischen Dichtung auf,55 obwohl diese Tatsache auch mit der Analogie zum Vasallenverhältnis erklärt werden könnte und deshalb, für sich allein betrachtet, noch nicht aussagekräftig ist. Genauso verhält es sich mit den stereotypen Figuren wie gardador, arabische Entsprechung: raqīb, und lauzengier, arabische Entsprechung: wāši, die aber auch in der Antike vorkommen.56 Trotzdem erscheint eine derartige Häufung von Gemeinsamkeiten in beiden Dichtungen erstaunlich. Auch in der Schönheitsbeschreibung gibt es eben Parallelen, was die Wangenbeschreibung als Rosen und Lilien angeht. Die größte Ähnlichkeit besteht aber immer noch, wie schon vorher erwähnt, in der Beschreibung der Wirkung des Blickes. So heißt es etwa in einem Streitgespräch zwischen Savaric de Mauleon, Gaucelm Faidit und Uc de la Bacalaria über die Frage, welcher Gunstbeweis einer Dame am höchsten zu bewerten sei, ein liebevolles Händedrücken, ein keckes Fußtreten oder ein verliebter Blick, dass die Augen Boten des Herzens seien.57 Diese Aussage allein scheint noch nicht relevant, trifft sie ja noch auf Gegenpositionen. Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, wie oft die Augen in der provenzalischen Liebeslyrik genannt werden, und die verletzende Wirkung des Blickes sogar mit der Metapher der Augenpfeile wie bei den Arabern wiedergegeben wird,58 kann man nicht mehr von einer einfachen Koinzidenz sprechen. Man kann man aber auch in der Bildsprache der Sufi-Dichtung eine Parallele entdecken. So suchen die Sufi-Dichter ihre unsagbaren Liebeserfahrungen «in den Bildern von Rosen und Nachtigallen auszudrücken»,59 wobei die Rose seit Ruzbihan Baqli «die Sanktion religiöser Erfahrung»60 habe und die Nachtigall «das Symbol der sehnsüchtigen Seele»61 sei. Vor allem der kleine Vogel mit seiner lieblichen Stimme ist in der Lyrik der Provenzalen wichtig und verweist auf eine Gattung innerhalb der okzitanischen Liebesdichtung, in der abermals eine große Nähe zur arabischen Liebeslyrik erkennbar ist: der alba. Eines der beliebtesten Motive der arabischen Liebesdichtung ist die Trennung der Liebenden am Morgen.62 Ein weiteres Motiv, in dem wir eine Gemeinsamkeit entdecken können, ist das des Einatmens des Windes, der von dem Ort herüberweht, an dem sich die geliebte Person aufhält.63 Aurelio Roncaglia liefert dabei einen Hinweis auf die mögliche Übertragung dieses Motivs:

Diesen Hinweis liefert uns Ibn Bassam (in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts), indem er erzählt, wie der Arzt Ibn al-Kattani aus Cordoba bei einem Fest im Palast des Grafen von Kastilien, Sancho García (995–1017) einige andalusische Sängerinnen hörte, die der Kalif von Cordoba dem Grafen als Geschenk gesandt hatte. [Das Lied] beginnt mit dem Stichwort Wind, in dem der liebende Dichter die Trunkenheit der fernen Liebe atmet.64

Die Übernahme dieses Motivs erscheint auch wegen dieses Hinweises für die mögliche Übertragung interessant, da sie eine Kontaktsituation zwischen europäischen Christen und Arabern aufzeigt, die weiter unten näher thematisiert wird. Wenn man die motivischen Parallelen weiter betrachtet, fällt das Motiv des Liebestodes ins Auge, das in der Abbasidenzeit so stark seine Wirkung in der arabischen Liebesdichtung zeigt. Aber auch in der Trobadorlyrik findet sich dieses Motiv, so etwa bei Bernart de Ventadorns «cen vetz mor lo jorn de dolor / e reviu de joi autras cen.»65 Auch das Bitten um Gnade, mercé, gehört in diesen Kontext. Ali Mansoor schreibt dazu: «Da die Geliebte Macht über Leben und Tod des Sängers hat, ist ihre Gnade eine ersehnte Hoffnung für den Liebenden.»66 Dieses Flehen um mercé findet sich aber nicht nur in der Trobadorlyrik, sondern stellt eine weitere Analogie zur arabischen Liebeslyrik dar.67 Eine weitere Parallele zwischen beiden Liebesdichtungen entdecken wir in der Rolle des Herzens und den sich darauf beziehenden Motivkreis:

Das Herz wird als Schrein, als Wohnort, als Kleinod aufgefaßt, was darin wohnt, ist die Geliebte; das Herz ist der Sitz aller Liebesgefühle und Liebesflammen, es schmilzt vor Liebesschmerzen, es fliegt zu der Geliebten oder wird vom Liebenden als Bote oder als Pfand an die Geliebte versandt, es wird von der Geliebten durch einen Kuß aus der Brust des Liebhabers geraubt. Das Motiv vom Tausch der Herzen ist fast ein Gemeinplatz der beiden Literaturen; das Herz hat Augen, mit denen der Liebende seine Herrin sieht, es kann direkt durch die Blicke der Herrin verwundet und wieder geheilt werden; das Herz ist auch die Quelle der Lieder, die der Sänger an seine Geliebte richtet; aus dem Herzen steigen dem Sänger Tränen vor Liebesgram oder Liebesfreude in die Augen empor.68

Aber auch die Liebe von Kindheit an ist ein beliebtes Motiv in beiden Dichtungen, sowohl die provenzalischen als auch die arabischen Dichter «rühmen sich sehr oft einer Liebe, deren Anfang weit in die Kindheit zurückreicht.»69 Ein weiteres Bild, das durchaus (neu-)platonische Züge aufweist, ist das des Magneten, azimans; Ibn Hazm etwa spricht davon, dass sich die Seelen der Liebenden anziehen wie Magneten (Taube, S. 21f.).70 Am Ende dieser Zusammenschau von verbindenden Motiven soll darauf verwiesen werden, dass die besungene Person in beiden Dichtungen immer die Schönste und die Beste ist. So übersetzt Nykl ein Lied von Al-Gazal, einem andalusischen Hofdichter in Cordoba (772–864), das dieser während eines diplomatischen Besuches am Hof der Normannen auf die Normannenkönigin verfasst und das wirklich kongruent zu einem Minnelied ist:

1. My heart, thou hast undergone a painful love,
And struggled with it, the fierest of all lions:
2. I fell in love with a Norman lady fair,
She keeps the sun of beauty from ever setting,
3. In the farthest extreme of God’s earth, where
the one who travels, no longer can travel on!
4. Oh Theuda, thou breath of youth and charm,
A star of beauty rises from thy robe.
5. By my sire I swear, than the I never saw
A sweater or more pleasant person to my heart:
6. If I e’er said that my eyes had beheld
One like thee, it would be a lie indeed!
7. She said: «I see his temples have grown grey» –
Jokingly, eliciting my jesting repartee,
8. In saying to her: «How does it come
That a foal at birth is quite grey!»
9. She laughed admiringly at what I had said
I did so only that I might see her pleased!71

Wir finden aber nicht nur motivisch-thematische Similaritäten, sondern auch strukturelle Parallelen. Bereits im 16. Jahrhundert schreibt Barbieri: «nè da’ Greci, nè da’ Latini antiqui nè da’ più moderni sia originato il modo della [sic] Rime, ma degli Arabi passando ad altre lingue e nazioni.»72 So scheint es heute erwiesen, dass von den elf erhaltenen Liedern Wilhelms IX. von Aquitanien vier der Muwaššah ähneln und eines sogar ein Musammat ist.73 Auch Nykl verweist darauf, dass, wenn wir die provenzalischen Dichtungen mit Formen aus dem muslimischen Spanien, aber auch dem Orient, vergleichen, «we cannot fail to find considerable analogies which can only be explained by imitation or adaptation, not by independent invention.»74 Trotzdem muss man Barbieri widersprechen und einen gewissen Einfluss der mittellateinischen Dichtung, vor allem der Kirchenmusik gelten lassen, denn mit Sicherheit finden «die Klänge und Rhythmen der kirchlichen Lieder ebenfalls einen Zugang zu der provenzalischen Dichtung.»75 Außerdem entsteht ja auch die Kirchenmusik letztendlich teilweise unter Einflüssen aus dem orientalischen Kulturraum.76 Beide Dichtungen, sowohl die arabische als auch die provenzalische, sind Kompositionen, die für einen musikalischen Vortrag konzipiert sind. Vor allem der spanische Arabist Julián Ribera y Tarragó unternahm seit 1912 die Aufgabe, den arabischen Einfluss auf die Lyrik der trobadors auf Basis von musikalischen Untersuchungen zu beweisen.77 Dieser Versuch Riberas, die Parallelen zwischen der Lyrik der trobadors und der Araber aus musikalischer Perspektive zu erklären, erscheint dabei «a logical step to take.»78 Die gesamte Argumentation Riberas nachzuvollziehen, sprengt den Rahmen des Artikels, es kann aber darauf verwiesen werden, dass er die Meinung von sich weist, die europäische und arabische Musik seien grundsätzlich verschieden; vielmehr zeichnet er den Weg nach,

den die abendländische Musik genommen haben soll, nämlich von der byzantinisch-persischen Musik, die ihrerseits auf die klassisch-griechische und lateinische zurückgeht. Die Araber sollen diese Musik vom Orient nach Spanien gebracht und durch das restliche Europa durch Nordspanien und Südfrankreich, durch die Berührungen der Compostela-Pilger, durch die Kriege und die friedlichen Beziehungen, weitergegeben haben.79

Die Untersuchungen Riberas werden durch die Tatsache gestützt, dass die Europäer mehrere Musikinstrumente von den Arabern entlehnen, wie laud, rebel, guitarre, tombur und nay.80 Korrespondierend damit leitet Ribera trobar von dem arabischen taraba – «er hat gesungen; Gesang» – ab.81 Das Wort taraba wird in al-Andalus als trobar ausgesprochen82 und kann durch den mozarabischen Dialekt leicht in das Provenzalische eindringen, da es viele Kontaktsituationen zwischen Spanien und Südfrankreich gibt. So ist Südfrankreich kulturell und politisch gesehen eher spanisch als französisch geprägt und auch die frühen trobadors sind öfter an den christlichen Höfen von Aragón und Kastilien zu Gast.83 Insgesamt gibt es im spanischen und südfranzösischen Kulturraum viele Kontaktsituationen zwischen Christen und Muslimen: Handel, diplomatische Beziehungen, Migration, Krieg und kulturelle Interaktion.84 Man denke nur an die Pilgerstätte Santiago de Compostela, die eine herausragende Rolle in Bezug auf den interkulturellen Kontakt spielt, «denn spätestens ab dem 11. Jahrhundert, als die Pilgerwelle ihren Höhepunkt erreicht, stellt sie einen zentralen Angelpunkt für den intellektuellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Christen und Muslimen dar.»85 Auch viele Kirchen und Gebäude entlang der Pilgerstraße weisen «deutliche Spuren von Einflüssen der arabisch-islamischen Kunst und Architektur»86 auf. Aber auch die viel zitierte Anekdote, dass Don Sancho von Kastilien (gest. 1017), als er seine Tochter mit dem Grafen Ramón Borell von Barcelona (gest. 1035) vermählt, für die Zeremonie den Hof von Saragossa wählt, das heißt den Palast des muslimischen Königs Mundīr ibn Yahyā, zeigt eine gewisse Nähe zwischen Christen und Muslimen auf.87 Einen weiteren wichtigen Faktor bezüglich des Transmissionsprozesses von arabischem Kulturgut stellt die Reconquista88 dar, aber auch die Immigration der sogenannten Mozaraber in das christliche Gebiet im Norden, die die arabische Literatur, Kultur und Sprache mitbringen. Diese bilden aufgrund ihrer Bilingualität generell ein wichtiges Bindeglied zwischen den Arabern und dem christlichen Europa. Trotz der Immigration einiger Mozaraber in das christliche Nordspanien herrscht in al-Andalus eine besondere Form des Zusammenlebens zwischen Christen, Muslimen und Juden, die sogenannte convivenzia, die von großer Toleranz geprägt ist. Die ansässigen Christen und auch die Juden sind also gut in das Staatsgebilde integriert. Dass die spanischen Christen die arabische Kultur und vor allem die Poesie aufnehmen, darauf verweist auch Tiraboschi in seinem Vorwort zu Giovanni Maria Barbieris Dell’origine della poesia rimata: «Era poco oltre ad un secolo, dacchè gli Arabi avevano occupata la Spagna, e già gli Spagnuoli tanto si erano in famigliarità congiunti con quelli lor distruttori, che dimenticata quasi la lingua Latina.»89 Er lässt dann den Bischof Alvaro von Cordoba zu Wort kommen, der sich über die Vorherrschaft der arabischen Wissenschaften und Dichtung in Spanien beklagt und auf den immer noch von den Vertretern der «arabischen Theorie» hingewiesen wird, weshalb er hier nicht in Latein, sondern in Deutsch zitiert werden soll:

Viele meiner Glaubensgenossen lesen die Gedichte und Märchen der Araber, sie studieren die Schriften der muhammedanischen Theologen und Philosophen, nicht um sie zu widerlegen, sondern um zu lernen, wie man sich auf correcte [sic] und elegante Weise im Arabischen ausdrücke. Wo findet man heute einen Laien, der die lateinischen Commentare [sic] über die heiligen Schriften lies’t [sic]? Wer unter ihnen studiert die Evangelien, die Propheten, die Apostel? Ach, alle jungen Christen, die sich durch ihr Talent bemerkbar machen, kennen nur die Sprache und Literatur der Araber; sie lesen und studieren aufs eifrigste die arabischen Bücher, legen sich mit enormen Kosten große Bibliotheken davon an und sprechen überall laut aus, diese Literatur sei bewundernswürdig. Redet man ihnen dagegen von christlichen Büchern, so antworten sie mit Geringschätzung, diese Bücher verdienen nicht ihre Beachtung. O Schmerz! Die Christen haben sogar ihre Sprache vergessen, und unter Tausenden von uns findet man kaum Einen [sic], der einen erträglichen lateinischen Brief an einen Freund zu schreiben versteht; dagegen wissen Unzählige sich aufs eleganteste im Arabischen auszudrücken und Gedichte in dieser Sprache mit noch größerer Kunst als die Araber selbst zu verfassen.90

Abb. 1: Ein Muslim und ein Christ beim Lautenspiel.
Die Miniatur aus den Cantigas König Alfons’ X., des
Weisen (1221–1284) verdeutlicht den arabischen
Einfluss auf die Entwicklung der Musik.91

Die convivenzia in al-Andalus findet aber auch ein Beispiel in der Person des Petrus Alfonsi oder Moshé Sephardi, einem jüdischen Konvertiten aus Spanien, der am englischen Hof der Eleonore von Aquitanien als Übersetzer tätig ist und der die Disciplina clericalis schreibt, «a collection of novelle derived from his storehouse of knowledge of the literature of al-Andalus».92 Die Disciplina beeinflusst dann auch Boccaccio. Für die Novellistik ist der arabische Einfluss allseits anerkannt, etwa erkennbar durch die Übernahme des Erzählrahmens. In diesem Klima der Toleranz, das die convivenzia hervorruft, ist es auch keine Seltenheit, dass Christen, Muslime und Juden gemeinsam musizieren.93 So verweisen sowohl Mansoor als auch El Omari auf die bedeutende Vermittlerrolle der Sänger und Spielleute.94 Diese unternehmen nämlich viele Reisen und müssen von Hof zu Hof ziehen, entweder aus eigenem Bestreben oder in Begleitung einer diplomatischen Gesandtschaft, etwa in das Gebiet des christlichen Nordspaniens oder Siziliens, wie der bereits weiter oben zitierte Al-Gazal, Hofdichter in Cordoba, beweist, wo sie auch auf provenzalische trobadors und Edelleute treffen können. Dabei kommt es dann zu Begegnungen zwischen muslimischen und christlichen Spielleuten, die sich «durch einen regen Austausch von Liedern untereinander und gemeinsames Musizieren»95 auszeichnen.

Man kann daraus schließen, «dass die christlichen und maurischen Spielleute sogar über ein gemeinsames Repertoire an Liedern verfügen.»96 Im Kontext der convivenzia sind aber auch Strophenformen wie Muwaššah und Zaǧal, vor allem mit einer romanischen Haǧar, von großer Bedeutung, denn sie scheinen eine Verschmelzung von klassisch-arabischer und volkstümlich-romanischer Lyrik aus proto-literarischer Zeit zu sein, ein Gemisch «of popular and classical elements», das von allen verstanden und geschätzt wird, «because there [is] some element in it from the different traditions that both elites and commoner [are] familiar with.»97 Diese romanischen Haǧars zeigen also eine Kontaktsituation zwischen romanischer und arabischer Lyrik in proto-literarischer Zeit sowie die Signifikanz des mozarabischen Milieus auf, in dem ein dauerhafter Kontakt zwischen arabischer und romanischer Kultur stattfindet und das «hinsichtlich der Troubadourkunst eine vorwiegend indirekte Funktion»98 ausübt. Man muss festhalten, dass die christliche und die arabische Welt in Spanien niemals getrennt voneinander existieren, was aber in gewisser Weise auch für Südfrankreich gilt, da die Provenzalen tiefe Beziehungen zu Spanien haben und sich auch an der Reconquista beteiligen. So auch der Vater Wilhelms IX., Wilhelm VIII., der an einem militärischen Angriff der Normannen und einiger südfranzösischer Ritter gegen den muslimischen Herrscher in Barbastro, einer Stadt in Aragón teilnimmt.99 Die Beute aus dieser Schlacht sind viele Sklavenmädchen, vor allem Singsklavinnen.100 Die Einnahme von Barbastro beschert uns eine weitere Anekdote, die abermals unterstreicht, wie viel die Christen von der arabischen Kultur übernehmen:

So wird in der Dahira von Ibn Bassam erzählt, dass ein paar Jahre nach der Eroberung Barbastros ein jüdischer Händler zu einem der Prinzen in die Stadt kam. Dieser begrüßte den Händler in arabischer Kleidung und war umgeben von mehreren schönen Frauen, die ihn bedienten. Er fragte nach dem Anliegen des Händlers und dieser erklärte ihm dann, dass er die Befugnis habe, ihm jeden Preis zu zahlen für einige der gefangenen Sklavinnen, da eine von ihnen die Tochter des Mannes war, der den Händler geschickt hatte. Doch der Prinz lehnte ab und sagte daraufhin zum Händler: ‹Auch wenn du mir noch vieles mehr als dies bringen würdest, würde ich dir keines der Mädchen geben. Jene dort, die du siehst, ist meine Favoritin und die andere, welche von außergewöhnlicher Schönheit ist, ist eine unvergleichbare Sängerin.› Dann befahl er ihr, in einem gebrochenen Arabisch, zu singen. Die Maurin, beim Spielen der Laute, fing an zu weinen und der Prinz wischte ihr die Tränen liebevoll aus dem Gesicht. Später setzte ihr arabischer Gesang wieder ein. Während der Prinz diesem zuhörte, machte er Gesten des Gefallens und Entzückens, so als könne er den Inhalt des Liedes verstehen.101

Dass Wilhelm VIII. seinen Anteil an dieser Beute bekommt, ist gesichert, und die Wahrscheinlichkeit, dass auch Singsklavinnen unter den Sklavenmädchen sind, erscheint hoch, sodass auch Wilhelm IX. in den Genuss der Künste jener Mädchen kommt.102 Aber nicht nur hier zeigen sich die verschiedenen Kontaktsituationen, sondern das «Beispiel Wilhelms IX. von Aquitanien, des ersten Troubadours, eignet sich hervorragend, um die verschiedenen Kontakt- bzw. Übertragungsmöglichkeiten aufzuzeigen.»103 So führt Wilhelm IX. die engen Kontakte zu den christlichen Königreichen Kastilien und Aragón, die sein Vater geknüpft hat, weiter, indem er familiäre Bande schließt. 1094 heiratet er die Witwe von Sancho I. von Aragón, Philippa, die Schwestern Wilhelms IX. heiraten Peter I. von Aragón und Alfons VI. von Kastilien, eine seiner Töchter vermählt er mit Ramiro II. von Aragón.104 Ebenso wie sein Vater beteiligt er sich als unterstützendes Mitglied der spanischen Truppen in zahlreichen Schlachten gegen die Muslime. Durch die dort erbeuteten Güter gelangt immer mehr von der islamischen Kultur nach Südfrankreich.105 Wahrscheinlich ebenfalls bei einem Feldzug gegen die konservativen Almoraviden lernt er den muslimischen Herrscher ’Imād ad-Dawla ’Abdalmalik ibn Ahmad ibn Hūd kennen, der sich 1120 mit dem christlichen König von Aragón gegen die bedrohende Streitmacht jener zusammenschließt und mit dem Wilhelm dann eine jahrelange Freundschaft pflegt.106 Aber Wilhelm IX. nimmt nicht nur an der Reconquista teil, sondern partizipiert auch am Kreuzzug von 1101. Nykl verweist sogar darauf, dass die ersten drei Gedichte Wilhelms sich stark von seinen restlichen Gedichten abheben107 und geht davon aus, dass diese Veränderungen im Rhythmus «cannot be ascribed to any other significant event in his life but the Crusade adventure».108 Wilhelm IX. ist also stark arabisch beeinflusst, sodass es auch nicht verwundert, dass einige Arabisten in Wilhelms Kanzone Farai un vers pos mi sonelh drei Verse in arabischer Sprache sehen.109

Aber auch in der scuola siciliana erkennen wir einen arabischen Einfluss. Es erweist sich als äußerst diffizil, im Einzelfall zu eruieren, ob sich die Beeinflussung als direkt oder als indirekt entpuppt, da die Entstehung der scuola siciliana mit der «Welle des provenzalischen Einflusses in Italien»110 zusammenfällt, sodass schwer zu klären ist, «welche Charakterzüge der ersten sizilianischen Kunstpoesie auf eine direkte arabische Quelle hinweisen und welche auf provenzalischen Ursprung, der seinerseits auch eine sekundäre orientalische Wirkung»111 mit einschließt. Trotzdem muss betont werden, dass die Annahme eines solchen Einflusses durchaus möglich erscheint, da Sizilien knapp zweihundert Jahre unter arabischer Herrschaft steht112 und sich auch die christlichen Herrscher, wie Roger II. und Friedrich II., «die getauften Sultane»,113 nicht wirklich vom arabischen Erbe lösen. Friedrich II. etwa zeigt sich immer bemüht, sich seinen mediterranen Nachbarn als Mann der Wissenschaft zu präsentieren, der es mit jedem islamischen Fürsten aufnehmen kann, ähnlich wie vor ihm sein Großvater Roger II., unter dem das arabische Element auf Sizilien sehr präsent ist. David Abulafia hält des Weiteren dazu fest:

Es war sicher zum Teil ein diplomatisches Spiel, aber Friedrich betrieb es mit großem Ernst. Nicht gespielt hingegen war sein kulturelles Interesse, und es besteht kein Zweifel, daß sein geistiger Horizont wesentlich größer war als der seiner Zeitgenossen auf dem englischen und französischen Thron.114

Abulafias Hauptthese zufolge stellt sich Friedrich II. nicht als Genie, das die Ideen späterer Zeiten vorwegnimmt, sowie Renaissancefürst avant la lettre mit visionären Plänen für einen Staat von Dänemark bis Sizilien dar, geprägt von Toleranz und einem religiösen Miteinander, sondern vielmehr als ein von äußeren Zwängen bestimmtes Kind seiner Zeit.115 Trotzdem entpuppt sich der stupor mundi, ein Ehrentitel, mit dem er schon im 13. Jahrhundert geschmückt wird,116 als ein begabter Naturwissenschaftler, was sein Werk De arte venandi cum avibus beweist, und als Monarch mit großem Hang zur kulturellen Betätigung. Er unterhält mit mehreren islamischen Fürsten, aber auch jüdischen und islamischen Gelehrten Briefkontakt und diskutiert mit ihnen philosophische und naturwissenschaftliche Probleme.117 Er versammelt um sich viele Gelehrte, Intellektuelle und Übersetzer, darunter von besonderer Bedeutung Michael Scotus, 118 die ihn mit aristotelischen Schriften sowie mit der aristotelischen Philosophie insgesamt vertraut machen – aber auch mit der Alchimie,119 die allein schon mittels ihres Namens eine Verbindung zum arabischen Kulturraum aufzeigt und durch die Feuersymbolik sowie den Perfektionierungsgedanken aufgrund ihrer neuplatonisch-hermetischen Basis dann einen ganz besonderen Stellenwert in der scuola siciliana erlangt.120 Präzise lässt sich Friedrichs tatsächliche Einstellung zur arabischen Kultur dennoch nicht so einfach eruieren, z. B. verbannt er einerseits die rebellierende arabische Bevölkerung nach Lucera und umgibt sich andererseits mit einer arabischen Leibwache121 und mit arabischen Sängerinnen.122 Man muss darüber hinaus anmerken, dass seine

Kastelle an der Ionischen Küste der Insel, in Augusta, Syrakus (Castello Maniace) und Catania, sowie praktisch alle von ihm geförderten Bauvorhaben […] Synthesen aus eindeutig gotischem Baustil und Bildprogrammen mit klar islamischen Komponenten (etwa Verweise auf den ribat in Sousse und andere Festungen in Ifriqiya) [sind].123

Auch erweist sich Friedrich II. als des Arabischen durchaus mächtig124 ebenso wie Stefano da Messina, Stefano Protonotaro, der als Übersetzer von arabischen Werken tätig ist.125 Man kann also, anders als es Abulafia darlegt, nicht davon ausgehen, dass die Dichter der scuola siciliana die arabo-sizilianischen Dichter, vor allem die arabischen Poeten am Hof der Normannen, nicht rezipieren und man folglich von den letztgenannten «keine Verbindung zur folgenden Zeit herstellen»126 kann. Denn die Regierungszeit der Normannen ist stark arabisch geprägt und so erlebt die arabo-sizilianische Dichtung ihre letzte und eigentlich größte Blüte unter der Herrschaft der normannischen Grafen und Könige, die der Tradition der arabischen Herrscher folgen und sich mit Hofdichtern arabischer Herkunft umgeben.127 Die Ära der Normannen mit ihrem Synkretismus und Eklektizismus erweist sich aber nicht nur für die Literatur als höchst fruchtbar, sondern auch auf anderen Gebieten: «Architektur und bildende Kunst des mittelalterlichen Siziliens sind durch das enge Zusammenspiel von byzantinischer, arabischer und normannischer Kultur geprägt».128 Schon unter der Grafschaft Rogers I. finden sich aus dem Islam entlehnte Elemente in der Architektur,129 aber erst unter Roger II., der am 25. Dezember 1130 zum König gekrönt wird, und seinen Nachfolgern, vor allem Wilhelm II.,130 kommt es zu einer regelrechten Kultursynthese, die griechische, römische und arabische Formen vereint, um die Bildung einer nationalen Identität zu befördern.

In dem Vierteljahrhundert seiner Regierungszeit legt Roger II. den Grundstein zu einer nationalen Identität – in einem Prozess, der in der Kunst, insbesondere in der Architektur, am harmonischsten zutage tritt. Die programmatischen Absichten Rogers II. bei der Verfolgung einer gezielten ‹Bilderpolitik› erinnern an frühere europäische Herrscher, etwa die Karolinger oder Ottonen, die ihrerseits – ausgehend von der Idee der renovatio imperii – künstlerische Blütezeiten eingeleitet haben.131

Dass diese Synthese gelingt, beweisen Gebäude wie der Normannenpalast mit der Capella Palatina, der Dom von Monreale und die Zisa, deren Name nach der Meinung einiger Forscher vom arabischen al-alziz («die Glanzvolle») abgeleitet sein könnte.132 Insgesamt erweisen sich Roger II. und seine Nachfahren als sehr weltoffen, wodurch eine Kontinuität in verschiedenen Wissenschaften ermöglicht wird, «die sich im Fortschritt – man könnte auch sagen in der Aktualisierung – des Wissenstands manifestiert.»133 Zu den Protegés Rogers II., der allein durch seinen Krönungsmantel, «aus schwerem roten Seidentuch mit Gold und Seidenstickereien, Applikationen aus verschiedenen Materialien und Edelsteinen sowie einer Kufi-Inschrift im Samtbesatz»134 in persona zum Symbol der von ihm angestrebten Kultursynthese wird, gehört der Geograf al-Idrisis, der für ihn den Libro di Ruggiero anfertigt, das erste kartografische Werk der europäischen Geschichte.135 Auch in der Prachtentfaltung ahmt der normannische Hof orientalische Vorbilder nach und so kommt es dazu, dass arabische Hofdichter die Regentschaft der Normannen loben und die Bauwerke, die in jener Zeit entstehen, wie etwa in folgenden Versen von ’Abd ar-Rahmān ibn Muhammad ibn ’Umar al-Butīrī deutlich wird:

Non v’è vita serena se non all’ombra della dolce Sicilia
Sotto una dinastia che supera le cesaree dinastie dei Re
Ecco i palazzi regali, in cui la gioia ha preso albergo
Meravigliosa dimora, cui Iddio elargì perfetta bellezza
Ecco il teatro fulgente su ogni edifizio di architettura
I superbi verzieri, per cui il mondo è tornato a fiorire
I leoni della sua fontana, che versano acqua di paradiso.136

Ein arabischer Einfluss auf die scuola siciliana erscheint aber auch nachvollziehbar, da die donna in der scuola siciliana im Vergleich zur okzitanischen Liebeslyrik immer mehr vergeistigt wird, was aus Sicht der Verfasserin einerseits damit zusammenhängt, dass es in der Spätphase der Trobadorlyrik zu einer großen Hinwendung der Poeten zur religiösen Dichtung sowie zum Marienlied kommt,137 und anderseits damit, dass eben auch die arabische Liebesdichtung mit einer solchen Überhöhung der Herrin aufwarten kann.138 Die Erhöhung der donna in der scuola siciliana sehen wir etwa im folgenden Sonett von Jacopo da Lentini verwirklicht:

Angelica figura – e comprobata,
dobiata – di ricura – e di grandezze,
di senno e d’adornezze – sete ornata,
e nata – d’afinata – gentilezze.

Non mi parete femina incarnata,
ma fatta – per gli frori di belezze
in cui tutta vertudie è divisata,
e data – voi tut[t]è avenantezze.

In voi è pregio, senno e conoscenza,
e sofrenza, – ch’è somma de li bene,
como la spene – che fiorisc’e ingrana:

come lo nome, aut la potenza
di dar sentenza – chi contra voi viene,
sì com’avene – a la cità romana.139

Die donna erscheint hier nicht als Wesen aus Fleisch und Blut, sondern als Inkarnation der absoluten Schönheit, ausgestattet mit allen Tugenden und charakterlichen Vorzügen. Somit wird sie quasi zum himmlischen Abbild einer Frau, das die donna angelicata des dolce stil novo präfiguriert. Diese weitere Elevation der Herrin könnte eben arabisch geprägt sein – so heißt es etwa auch in einem Vers des Dichters al-’Abbās Ibn al-Ahnāf: «Wenn man ein Geschöpf anbeten könnte wegen seiner Schönheit, dann würde meine Königin zum Gott.»140 – oder aber auch ein panegyrisches Moment mit aufnehmen, dass also «der Adressat dieses Dichtens letztlich der staufische Monarch selbst sein könnte, weil auch provenzalische Poesie oft als verdecktes Anredeverfahren konzipiert ist.»141 Mit der höheren Stellung der Herrin geht aber auch eine Abschwächung der feudalistischen Tönung des provenzalischen Liebesverständnisses einher. Hugo Friedrich merkt dazu an:

Der Beamtenstaat Friedrichs II. hatte nur weniges, was sich mit dem Feudalismus der südfranzösischen Höfe vergleichen läßt. Damit hängt wahrscheinlich zusammen, daß der Liebesdienst, der bei den Provenzalen mindestens metaphorisch sich dem Vasallendienst annäherte, in Palermo und Messina zumeist entspannter wie menschlich universaler wurde.142

Silvestro Fiore allerdings sieht auf Sizilien und in Süditalien trotz des Beamtenstaats Friedrichs II. das feudalistische System noch vorhanden, das ja auch tatsächlich durch die Normannen wiederhergestellt wird, und die durch charakterliche Vorzüge hervorgerufene Hochstellung der donna in der scuola siciliana deshalb arabisch beeinflusst.143 Ein ähnlich gelagertes Problem bezüglich der genauen Eruierung des Einflusses, ob dieser arabisch oder im konkreten Fall auf die beginnende Aristoteles-Rezeption im 13. Jahrhundert zurückzuführen ist, stellt sich auch in der Frage nach der zentralen Stellung des Sehens und der Augen in der scuola siciliana, die wir etwa im Sonett Amor è uno disio che ven da core von Jacopo da Lentini verwirklicht sehen. Diese Dichtung Jacopos da Lentini ist der abschließende Beitrag zu einer Tenzone mit Jacopo Mostacci und Piero della Vigna über das Wesen von amor. Dabei nimmt Jacopo den Topos der Augenliebe (vgl. «Amore è uno disio che ven da core / per abondanza di gran piacimento, / e li occhi imprima generan l’amore / e lo core li dà nutricamento»144) auf, den Andreas Capellanus in De amore folgendermaßen beschreibt: «Amor est passio quaedam innata procedens ex visione».145 Man muss aber betonen, dass das Sehen im Liebesdiskurs immer schon eine große Signifikanz hat, da es bereits in Platons Seelenmythos vorhanden ist, von der arabischen und provenzalischen Liebesdichtung, vermittels der ersteren, aufgegriffen wird und so auch Eingang in die mittelalterlichen Theorien zur Ursache der Liebe findet.146 So kann die Bedeutung der Augen und der Topos, dass die Liebe durch die Augen eindringt, verbunden mit der tötenden Wirkung des Blicks, auch einfach nur von den vorhergehenden Liebesdichtungen übernommen worden sein, vor allem von der arabischen, wie die folgenden Verse aus einer Anthologie sizilianisch-arabischer Dichter aus jener Zeit beweist:

Mi hanno ucciso sguardi di donne simili
a statue, fra un candore di denti e
labra di scura porpora;
Dopo aver detto che la mia giovanile
follia si era ormai conclusa147, eccola
rendermi nuovamente pazzo di amore e di
passione;
Nel suo volto ha visto la luna,
sorridente nel suo viso radioso:
apparsami, ho interrogato il mio occhio:
l’aveva vista da sveglio oppure in
sogno?
Quello sguardo è un vero enigma! Rende
infermo il corpo ma lo risana anche!148

Ein weiterer interessanter Aspekt, vor allem was die Form betrifft, findet sich im Sonett Eo viso e son diviso da lo viso von Jacopo da Lentini, in dem alle irrigen oder richtigen Ableitungen zum zentralen Begriff vedere und deren verschiedene Bedeutungen vorgestellt und verbunden werden:

Eo viso – e son diviso – da lo viso,
e per aviso – credo ben visare;
però diviso – ‹viso› – da lo ‹viso›,
ch’altr’è lo viso – che lo divisare.

E per aviso – viso – in tale viso
de lo qual me non posso divisare:
viso a vedere quell’è peraviso,
che no è altro se non Deo divisare.

Entro a viso – e peraviso – no è diviso,
che non è altro che visare in viso:
però mi sforzo tuttor a visare.

E credo per aviso – che da ‹viso›
giamai me’ non pos’essere diviso,
che l’uomo vi ’nde possa divisare.149

Obwohl dieses Sonett mit seinen Paronomasien und der figura etymologica die einfache Alliteration, die sich in der arabischen Dichtung findet, natürlich übersteigt, könnten wir mit Francesca Maria Corrao darin durchaus ein arabisches Erbe sehen.150 Ein ebensolches ist erkennbar im Sonett Si come il sol, in dem Jacopo da Lentini sich nicht dem Frauenlob zuwendet, sondern das Wesen von amor definieren will, und in dem er seine Reimwörter ständig wiederholt, sodass am Ende fünf genügen. Die daraus resultierende akustische Monotonie kompensiert Jacopo laut Raoul Schrott auf lexikalischer Ebene durch die Ambiguität, die die einzelnen Reimwörter haben, imitiert jedoch – nach Schrott – gleichzeitig in diesem Sonett «die Homophonie der arabischen Literatur»151:

Sì come il sol che manda la sua spera
e passa per lo vetro e no lo parte,
l’altro vetro che le donne spera,
che passa gli ochi e va da l’altra parte,

così l’Amore fere là ove spera
e mandavi lo dardo da sua parte:
fere in tal loco che l’omo non spera,
passa per gli ochi e lo core diparte.

Lo dardo de l’Amore là ove giunge,
da poi che dà feruta sì s’aprende
di foco ch’arde dentro e fuor non pare;

e due cori insemora li giunge,
de l’arte de l’amore sì gli aprende,
e face l’uno e l’altro d’amor pare.152

Die These eines direkten arabischen Einflusses wird aber auch dadurch gestützt, dass, laut Fiore, vor allem bei den Poeten der scuola siciliana mit sizilianischer oder süditalienischer Provenienz der direkte Vergleich der donna mit dem Bild eines Gestirns auftritt. Zwar taucht dieser Komparationspunkt auch bei den Provenzalen auf, aber es handele sich dabei, so hebt Fiore heraus, um indirekte Analogien oder um religiöse Dichtungen wie Marienlieder, in denen man einen Bezug zur Sprache des Alten Testaments nicht leugnen könne, da: «direkte […] Analogien mit der Sonne oder den Sternen aus einer nicht-europäischen Quelle stammen, d. h. sie sind gespeist von dem orientalischen Geist, der auf dem Umweg über das Christentum durch die hebräische Psalmenliteratur eindringen [kann]».153 Diese Beobachtung ist nicht so abwegig, wie sie auf den ersten Blick vielleicht anmutet, da man hinter dieser Analogie eine anthropologische Konstante vermuten könnte. Jedoch ist in der arabischen Liebesdichtung der Vergleich mit der Sonne, aber vor allem dem Mond, sehr beliebt. Dieses Faktum erweist sich nun als bedeutend, da Sizilien neben Spanien, wo man auch so einen Vergleich finden kann, worauf Roncaglia hinweist,154 der einzige Ort in Europa ist, an dem man eine Analogie mit dem Mond in der Volksdichtung findet, wie das folgende strambotto beweist:

Di ’na finestra s’affacciau la luna
E ’nta lu mienzu la stidda Diana
Su’ tanti splendori ca mi duna,
Lampu mi parsi di la tramuntana:
C’è lu Gaitu, e gran pena mi duna,
Voli arriunzu a la fida cristiana,
Nun vi pigghiati dubbiu patruna,
L’amanti ca v’amau, v’assisti e v’ama.155

Dieses strambotto lässt, Antonio Pagliaro folgend, ein dreifaches arabisches Erbe erkennen. Zum einen kann man diesen Bezug natürlich, wie schon gesagt, in der Mondmetapher erkennen, die in Sizilien stark rezipiert und dort anhaltend Eingang in die Welt der Bilder gefunden hat, so spricht man z. B. noch heute von facci di luna, wenn man auf eine schöne Frau hinweist.156 Dieses Strambotto zeigt aber nicht nur eine einfache Analogie auf, indem die Geliebte mit dem Mond verglichen wird, sondern die anderen Frauen werden in dieser lyrischen Komposition mit den Sternen gleichgesetzt, was auch in vielen arabischen Dichtungen vorkommt.157 Zum anderen sind es der Terminus gaitu und die – trotz allem recht seltenen – islamischen Missionierungen,158 auf die im zweiten Quartett angespielt wird, die das Gedicht in den Rahmen des arabischen Erbes auf der Insel stellen.159 Laut Pagliaro ist das strambotto als Form aber erst im 13. Jahrhundert entstanden160 und das vorliegende Werk, das ungefähr aus dem gleichen Jahrhundert stammen dürfte, könnte Erinnerungen aus dem kollektiven Gedächtnis der Inselbewohner mit aufnehmen. Diese Vermutung wird auch dadurch unterstützt, dass der gaito, arabisch qa’id, ursprünglich eine Bezeichnung für ein arabisches Militäramt, als Ehrenbezeichnung auf Sizilien bis ins 13. Jahrhundert und darüber hinaus überlebt.161 Zum dritten kann man in der Komposition selbst eine arabische Spiegelung sehen:

La prima quartina è descrittiva, rappresenta la situazione, cioè le circostanze dell’incontro fra i due amanti; la seconda è dialogica. In altri termini, la prima quartina è una specie di introduzione al colloquio fra i due personaggi, che si svolge nella seconda. Per quello che può valere, si tenga presente che anche nella muwashshaha si ha la rappresentazione narrativa di una situazione, che alla fine si conclude nella kharga, pronunziata della fanciulla. Epperò, nel nostro strambotto alle parole della donna si aggiunge la risposta da parte dell’amante.162

Es kann also durchaus angenommen werden, dass die Poeten der scuola siciliana, vor allem die der ersten Generation, den Vergleich der Geliebten mit der Sonne oder den Sternen, ein Topos, der noch lange in der italienischen Lyrik nachleben wird, von den arabo-sizilianischen Poeten mittels der Rezeption der arabisch-normannischen Dichter übernehmen.

In der Zusammenschau aller hier aufgeführten Aspekte lässt sich somit durchaus ein arabischer Einfluss auf den fin’amors und die scuola siciliana erkennen.

  1. Miguel Asín Palacios, Dante e l’Islam. L’escatologia islamica nella Divina Commedia, traduzione di Roberto Rossi Testa e Younis Tawfik, Luni Editrice: Milano 2014. Ecos Beitrag ist auf der Seite des Verlags verlinkt: https://www.lunieditrice.com/product/dante-e-lislam/.
  2. Vgl. Maria Corti, «La Commedia di Dante e l’oltretomba islamico», in: Dies., Scritti su Cavalcanti e Dante. La felicità mentale, Percorsi dell’invenzione e altri saggi, Torino 2003, S. 365–380, Man muss dabei bedenken, dass Asín Palacios den Libro nicht kannte, da dieser erst in den 1940er-Jahren wiederentdeckt wird.
    Corti verweist darauf, dass Dante möglicherweise über seinen Lehrer Brunetto Latini Kenntnis vom Libro erlangt, macht aber deutlich, dass Dante das Buch auch auf anderem Wege kennengelernt haben könnte, da es in der Toskana zirkulierte, und dass sich Dante nicht nur an die Zusammenfassung Libro del parayso e del infierno hält, sondern wirklich den Libro della Scala benutzt, da sowohl der Libro della Scala als auch die Commedia «elementi per così dire costruttivi, architettonici dell’oltretomba e descrizioni di peni infernali assenti dal riasssunto» verwenden und schildern (S. 373). Zu den generellen islamischen Jenseitsvorstellungen, die im christlichen Abendland zirkulieren, hält sie fest: «Circolavano infatti in Occidente numerose versioni del viaggio di Maometto, della sua ascensione in Paradiso e discesa all’Inferno con la guida per così dire didattica dall’arcangelo Gabriele, un tutto fornito di significato allegorico e da mettere in relazione con le Visioni cristiane, come pure circolavano il tema del contrappasso punitivo o quello della materialità riscontrabile in alcune pene inflitte alle anime o in alcuni desideri fisici dei morti, tema discusso da Avicenna, da Algarel, a cui si rifà Egidio Colonna dalla scuola di Oxford, tema giunto sotto forma di dubbio al canto XXV del Purgatorio (vv. 100–108). Circolavano motivi quali la salita al cielo con la scala di Giacobbe, la presenza nell’oltretomba di animali giganteschi o di alberi rovesciati, per non parlare delle varie architetture di gironi e balze infernali, di una graduatoria di cieli e di una metafisica della luce.» (S. 367).
  3. Man muss dabei aber festhalten, «che nel Libro il viaggio è speculare rispetto alla Commedia: l’ascesa al Paradiso precede la discesa all’Inferno.» (Corti, S. 374) Im Libro della Scala ist Mohammed, der wie Dante in der ersten Person spricht, in einen tiefen Schlaf gefallen, aus dem ihn der Erzengel Gabriel weckt. Während seiner Reise nach Jerusalem versuchen drei Stimmen Mohammed zum Anhalten zu bewegen, die dritte Stimme «compare una donna vestita di tutti i possibili colori, simbolo delle tentazioni del mondo» (S. 374). Unschwer lässt sich in diesen drei Versuchungen eine Parallele zu den drei Bestien, la lonza, la lupa und il leone, in der Commedia erkennen. Aber für Corti besteht die Analogie in diesen Anfangssequenzen nicht nur darin, sondern der Erzengel Gabriel offenbart damit auch seine Aufgabe als Mentor, da er Mohammed die Stimmen als Versuchungen erklärt. Gabriel ist also ein Führer «che spiega, consiglia, conforta, sorregge perché non cada il viaggiatore Maometto, rispendendo a dubbi e offrendo molte nozioni cosmologiche (distanza fra la terra e i cieli e dei cieli fra loro). Così la guida ha anche la funzione di introdurre digressioni teologico-culturali.» (S. 374) Gabriel und Mohammed benutzen dann die Jakobsleiter, um von der Erde zur ersten Himmelsphäre, dem Mondhimmel, zu gelangen. Die gleiche Leiter bringt Dante vom Saturnhimmel zum Empireum. Auch dieses Paradiso Inferiore im parr. 96–103 des Libro della Scala weist «rispondenze sollecitanti» (S. 374) mit dem Paradiso Terrestre auf: «C’è un grande giardino, un enorme albero sotto cui siedono i beati e due ‹fontes pulcriores et clariores quam cogitare cor hominis possit ullus›. Le due fonti nascono da una sorgente ai piedi dell’albero e divengono fiumi: di uno i futuri beati bevono l’acqua e ‹confestim mundificantur de omnibus que comederant, ita quod non remanet inde quicquam›; nell’altro si immergono e dopo l’immersione ‹gratia Dei eos descendit›. Non è chi non colleghi questa coppia di fiumi al Lete e all’Eunoè danteschi, anche ci sono suggestioni bibliche.» (S. 375) Dorthin kommt dann schließlich eine Prozession von Engeln «su cammelli coperti di un pelo come di seta rosso e bianco» (S. 375). Die Engel führen die neuen Heiligen vor den Thron Gottes, der sein wunderschönes Gesicht enthüllt. Die Prozession und auch die Enthüllung des Gesichts erinnern natürlich an Dantes Begegnung mit Beatrice im Paradiso Terrestre. (S. 375) Interessant scheint auch, dass sowohl für Mohammed als auch für Dante der Führer im Paradiso wechselt. Anstelle von Gabriel, der «ad Paradisium inferiorem» zurückgeht, übernimmt Ridwan die Führung bis zu Gott. Das Paradiso des Libro della Scala ist, wie in der gesamten islamischen Tradition, geprägt von der Lichtmetaphysik, die auf Ibn Mussurra zurückgeht, und hat die Phantasie Dantes kaum angeregt, es sind nur wenige wirkliche Korrespondenzen zu erkennen. (S. 375) Ganz anders im Inferno, in dem es auch formale Entsprechungen gibt. Corti verweist etwa auf Ähnlichkeiten zwischen dem habitatio dyaboli und der Città del Dite (S. 377). Ebenso verhält es sich mit dem siebten Graben des achten Höllenkreises, in dem «ci sono i ladri, soggetti […], a metamorfosi in serpenti, dopo di che subiscono un veloce ritorno a uomini perché la punizione si prosegue» (S. 378). Den Verdammten im Libro della Scala geht es genauso und auch diese Schlangen verfügen über «un veleno che immediamente bruccia e riduce il dannato in cenere» (S. 378). Corti hält zu diesen Gemeinsamkeiten fest: «Mi sembra che nell’elenco delle fonti al Lucano citato per i serpenti della Libia meriti di essere aggiunto il testo islamico.» (S. 378) Auch im achten Graben sieht man nach Corti eine Analogie in den Flammen, in denen die Betrüger und die listigen Berater – so auch Odysseus – eingeschlossen sind. (S. 379) Im Kontext mit der Figur des Odysseus muss man darauf hinweisen, dass Corti im vierten Kapitel «La ‹favola› di Ulisse: invenzione dantesca?» ihres Buches Percorsi dell’invenzione darlegt, dass Dante in der Person des Odysseus allegorisch die radikalen Aristoteliker und Averroisten, verurteilt wie Boetius Dacius und Siger von Brabant. Das Interessante ist aber, dass Corti das Verbot, die Säulen des Herkules zu überschreiten, auf arabische Quellen zurückführt, die wiederum über Toledo zu Dante gelangt sein könnten. Für den Schiffbruch kann man jedoch noch keine direkte Quelle eruieren. Corti hält allerdings fest: «È probabile che il tema del naufragio si leghi per ragioni logiche e psicologiche al tema del divieto […]. Se quindi esiste una fonte specifica del naufragio, non ancora rinvenuta, essa dovrebbe provenire dall’universo culturale arabo-ispanico dove è nato il Topos del divieto e quella geografia sacra che pone nell’oceano australe l’irraggiungibile montagna del Paradiso Terrestre.», in: Maria Corti, «Percorsi dell’invenzione», in: Dies., Scritti su Cavalcanti e Dante. La felicità mentale, Percorsi dell’invenzione e altri saggi, Torino 2003, S. 178–298, S. 268. Im neunten Graben, der den Glaubensspaltern und Zwietrachtstiftern gewidmet ist, befindet sich in der Commedia ausgerechnet Mohammed, obwohl Dante sich auch hier wieder den Libro della Scala zum Vorbild nimmt, in dem es auch diesen Ort gibt, an dem die bestraft werden, die Zwietracht gesät haben. Doch die Analogie wird noch deutlicher dadurch, dass Dante an dieser Stelle, der gleichen Stelle wie im Libro della Scala, das einzige Mal explizit den contrappasso erklärt (vgl. die Worte Bertrams dal Bornio im canto XXVIII des Inferno, vv. 142: «Così si osserva in me lo contrappasso»), der aber auch «uno dei temi interdiscorsivi» (S. 379) darstellt, da diese Vorstellung, zusammen mit anderen islamischen Jenseitsvorstellungen, im christlichen Abendland zirkuliert.
  4. Cesare Segre, Fuori del mondo. I modelli nella follia e nelle immagini dell’aldilà, Torino 1990, S. 34. Aber siehe auch seine Prefazione zu Ida Zilio-Grandi, Il viaggio notturno e l’ascensione del profeta nel racconto di Ibn ’Abbas Torino 2010, vor allem S. XVI. Segre stellt hier Il viaggio notturno e l’ascensione del profeta nel racconto di Ibn ’Abbas in einen Zusammenhang mit dem Libro della Scala, der definitiv besteht, da beide im Kontext der islamischen Jenseitsvorstellungen, also der mi’rāǧ, zu sehen sind. Er gibt aber auch mit Maria Piccoli zu bedenken, dass zwischen der Commedia und dem Libro della Scala eine größere Intertextualität nachgewiesen werden kann als zu Il viaggio notturno e l’ascensione del profeta.
  5. An dieser Stelle kann nicht en détail auf alle islamischen Einflüsse dieser christlichen Legenden und Jenseitsvisionen eingegangen werden, siehe dazu: Miguel Asín Palacios, Dante e l’Islam, (in diesem Artikel: Milano 2017) S. 265–345. Am Ende seiner Ausführungen fasst Asín Palacios die Gemeinsamkeiten und Einflüsse folgendermaßen zusammen: «Topografia infernale, divisa in sette zone (san Macario) o in otto ripiani (Cantore di Reggio Emilia). Tormenti infernali caratteristici, quali: le tuniche di fuoco (san Patrizio); i sepolcri di fuoco (idem); lo zolfo fuso (idem e Tundall); i reprobi immersi in un lago (san Macario, san Patrizio, Alberico); il fuoco che arriva a varie altezze, a seconda della gravità delle colpe (san Paolo); i diavoli armati di ganci (Tundall); il supplizio della bestia mostruosa (idem); il suo respiro ritmico che attrae e respinge i reprobi (idem, san Patrizio, san Paolo); i peccatori appesi a terra in giù (san Patrizio, Alberico, san Paolo); o crocifissi a terra (san Patrizio); o divorati da serpenti (san Macario, san Patrizio, Alberico); […] o obbligati a inghiottire i loro guadagni illeciti (Tucil); il supplizio di gelo (Tundall, san Patrizio, Alberico); la descrizione del gigante incatenato (san Macarico) e quella di Lucifero legato in fondo all’inferno (Alberico). […] Adamo in paradiso, che ride e piange allo stesso tempo (Turcil); la vita nella gloria, immaginata come una festa di corte o una solennità religiosa (Cour du Paradis, Vergier du Paradis, Visione dei Gaudii de’ Santi).» (S. 343f.) Man kann also mit Asín Palacios festhalten, dass «poetiche concezioni popolaresche intorno alla vita ultraterrena, non nate per generazione interna agli ambienti cristiani, ma per influenza della letteratura escatologia dell’Islam» (S. 344) vor der Commedia existieren, von denen Dante sich natürlich beeinflusst zeigt, aber eben auch von direkten islamischen Quellen wie dem Libro della Scala.
  6. Segre, Fuori del mondo, S. 38.
  7. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden besteht etwa auch darin, dass Segre die Città del Dite auf Vergil zurückführt. Vgl. ebd., S. 40.
  8. Girolamo Tiraboschi, «Prefazione», in: Giovanni Maria Barbieri, Dell’origine della poesia rimata, opera di Giammaria Barbieri pubblicata ora per la prima volta e con annotazioni illustrata dal cavaliere abate Girolamo Tiraboschi, Modena 1790, S. 3–26, S. 19. Giovanni Maria Barbieri (1519–1574) hält sich von 1538–1545 im Gefolge von Ludovico II. Pico della Mirandola am Hof von Franҫois I. in Frankreich auf, wo er sich mit altfranzösischer, aber vor allem mit provenzalischer Lyrik beschäftigt. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich ist er bis zu seinem Tod Kanzler seiner Heimatstadt Modena.
  9. Tiraboschi schreibt hierzu: «Il Barbieri esaminando, per qual maniera e da chi si introducessero i versi non metrici, come erano que’ de’ Greci e de’ Latini, ma armonici e rimati, quali si usan [sic] comunemente nelle lingue moderne, sostiene, che gli Arabi ne dieder l’esempio, e che da essi gli appresero [gl]i […] Provenzali. Quella sentenza medesima fu con molto erudizione e con diversi e forti argomenti sostenuta dal Ch. Sig. Ab. D. Giovanni Andres», in: ebd., S. 8.
  10. Tiraboschi hebt dabei heraus, dass Giovanni Andrés die Nähe zwischen Arabern und Provenzalen akzentuiert, denen Stefano Arteaga «con quella sua rapida e vivace eloquenza, ch’egli crede per avventura, che equivalga alle più convicenti ragioni» (S. 12) entgegnet, indem er andere Nationen aufzählt, die über eine gereimte Dichtung verfügen. Tiraboschi geht bei der Verteidigung der These ziemlich polemisch vor, indem er Arteagas Meinung ins Lächerliche zieht und etwa schreibt: «Dunque (conchiuderò io pure colla dialettica del Sig. Ab. [Arteaga]) la poesia provenzale ebbe una origine cretico-greco-arcadico danico-norvegicoo-islandico scoto-peruiano-chinese.» [Hervorhbg. i. Orig.] Weiterhin hält er genauso polemisch fest: «Da chi è egli più verisimile, che i Provenzali imparasser l’arte del poetare? Che mai avrebbe immaginato, che un ingegnoso Scrittore, qual è l’Ab. Arteaga, credese [sic] almeno ugualmente probabile, che i Provenzali l’apprendeser [sic] dagli Arabi, poeti, per così dire, di professione, e lor confinanti, ovvero da’ popoli della Scandinavia e della Norvegia, o fors’ anche del Perù e della China? È egli dunque l’Ab. Andres a cui manca la dialettica? O non è anzi l’Ab. Arteaga qui ancora, come in molti altri passi della sua opera, infelice ragionatore?» (S. 13), in: ebd., S. 12f.
  11. Vgl. Ali Yahya Mansoor, Die arabische Theorie. Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Minnesangs, Heidelberg 1966, S. 3. Die These einer Beeinflussung existiert aber auch noch Ende des 20. sowie Anfang des 21. Jahrhunderts; vgl. dazu u. a. Dina El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts. Eine vergleichende Studie anhand der Schönheitsbeschreibungen, Würzburg 2014, worin sich auch ein Kapitel über die Dichtung der trobadors findet, S. 61–84; Maria Rosa Menocal, The arabic role in medieval literary history. A forgotten heritage, University of Pennsylvania 1987; sowie Vanessa Kayling, Die Rezeption und Modifikation des platonischen Erosbegriffs in der römischen Antike, in der Spätantike und im französischen Mittelalter unter Berücksichtigung der arabischen Tradition, Bonn 2012. Es müssen dabei aber auch Mansoor, Die arabische Theorie und – etwas eingeschränkt – Hugo Friedrich, Epochen der italienischen Lyrik, Frankfurt am Main 1964, erwähnt werden, der zur «Araber-Hypothese» schreibt, dass sie sich «am ehesten verfechten [ließe]». Beide, sowohl Mansoor als auch Friedrich, verweisen auf Barbieri, Herder und einige Romantiker wie etwa Chateaubriand und Sismondi sowie im 20. Jahrhundert auf Nykl und Menéndez Pidal. Mansoor geht dabei aber wesentlich ausführlicher vor und erwähnt neben Joseph von Hammer-Purgstalls Literaturgeschichte der Araber und Adolf Friedrich von Schacks Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sicilien auch die Germanisten Burdach und Singer. Interessant ist hierbei vor allem, dass Mansoor diesen beiden vorwirft, sich lediglich mit der Motivgeschichte, nicht jedoch mit dem formalen Gehalt der Lyrik – das heißt im konkreten Fall der arabischen Lyrik: mit dem musikalischen Gehalt – auseinandergesetzt zu haben. Der spanische Arabist Julián Ribera y Tarragó habe diese Aufgabe unternommen und dabei einen Zusammenhang zwischen der arabischen und der abendländischen Musik feststellen können. Vgl. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 3–27.
  12. Deshalb wird in diesem Artikel der Begriff «(neu-)platonisch» – neu dabei in Klammern geschrieben – verwendet werden, um ihn einerseits von der neuplatonischen Philosophie der Spätantike als auch vom Florentiner Neuplatonismus abzugrenzen, andererseits seine genuin platonische Verankerung aufzuzeigen.
    Auch Rüdiger Schnell merkt diesen Zusammenhang an; vgl. Rüdiger Schnell, Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, München 1985, S. 67f. Er hebt aber hervor, dass es etwa in Ibn Hazms Halsband der Taube sehr wohl einen dualistischen Ansatz gibt, da er ja zwischen rechter und schlechter Liebe unterscheidet. Im Kapitel «Die Abscheulichkeit der Sünde» warnt er sogar vor den Schlingen des Satans. Trotzdem erachtet Ibn Hazm die Liebe als immer lobenswert, so wie auch Sokrates in Platons Symposion.
  13. Die Liebesauffassung, die im 9. Jahrhundert entsteht, wird von der Arabistik als «höfisch» bezeichnet; vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 19. Thomas Bauer steht dieser Bezeichnung eher kritisch gegenüber, sieht er doch zu viele Unterschiede zwischen der Liebeskonzeption der höfischen Liebe der Araber und der der trobadors. So schreibt er sogar: «Daß es falsch und unwissenschaftlich ist, den Begriff ‹höfische Liebe› auf ein Phänomen der arabischen Welt anzuwenden, zeigt bereits eine einfache Überlegung. Die ‹höfische Liebe› ist nicht etwa eine Lebensart, ein lifestyle, dem Menschen zu jeder Zeit folgen können, sondern ein distinktes, einmaliges Phänomen.» (Thomas Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, Wiesbaden 1998, S. 69) Bauer übersieht dabei aber die Beziehungen, die zwischen beiden Dichtungen bestehen können. Die Autorin möchte Unterschiede gar nicht leugnen, ist aber überzeugt davon, dass die Gemeinsamkeiten – auf die auch Bauer verweist – und die motivischen Parallelen die These einer Beeinflussung – wohlgemerkt keiner Kopie – durchaus rechtfertigen. So wirkt der Begriff, den Bauer als Alternative vorschlägt, nämlich die «devote Liebe» doch eher als Stütze der These einer Beeinflussung, da die Konzeption eines servitium amoris durch diese Bezeichnung angedeutet wird.
  14. Vgl. Wiebke Walther, Kleine Geschichte der arabischen Literatur. Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart, München 2004, S. 59. Bauer verweist darauf, dass Ibn al-Ahnāf eine Liebeskonzeption fordert, die die Unterwürfigkeit unter die Geliebte, die Treue und die Liebe selbst, auch ohne Hoffnung auf Erfüllung, ins Zentrum rückt. So heißt es in einem Vers Ibn al-Ahnāfs sogar: «Nur das sind Menschen, die verliebt sind und voll Liebesverlangen und nichts gutes [sic] ist an dem, der nicht liebt und nicht verliebt ist». In diesem Vers kann man ein (neu-)platonisches Liebesideal erkennen, dessen Situierung in der Abbasiden-Zeit weiter unten geklärt werden soll. Vgl. Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 56–65.
  15. In der arabischen Poesie wird oft die maskuline Anrede benutzt, obwohl es sich bei dem angeredeten Objekt um eine Frau handelt. Manchmal ist die Anrede also nur grammatisch – beispielsweise aus Gründen des Reims. Trotz allem kann es sich hierbei auch um homoerotische Beziehungen handeln und die maskuline Anrede darf nicht – wie es früher in der westlichen Arabistik geschah – genuin mit der weiblichen Form übersetzt werden. Meist wird hierbei die Liebe eines Mannes zu einem Jüngling geschildert, was auch den oft klagend besungenen Wangenflaum als Schönheitsideal erklärt. Denn der beginnende Bartwuchs war der Grund für den Abbruch einer Beziehung mit einem Jüngling. Vgl. Walther, Kleine Geschichte der arabischen Literatur, S. 57f., Claudia Ott, «Nachwort», in: Dies. (Hrsg.), Gold auf Lapislazuli. Die 100 schönsten Liebesgedichte des Orients, München 2008, S. 135–148, S. 138, und Khalid al-Maaly, «Das ewige Feuer», in: Ders. (Hrsg.), …und brenne flammenlos. Liebe und Erotik in der arabischen Poesie von 500 bis heute, aus dem Arabischen von Khalid al-Maaly und Heribert Becker, Berlin 2012, S. 5–17, S. 7.
    Kayling stellt in diesem Kontext in ihrer Arbeit einen Zusammenhang zwischen der arabischen Päderastie und der erzieherischen Funktion der Knabenliebe im antiken Griechenland her, ohne sich dabei jedoch, wie sie selbst anmerkt, auf irgendwelche Literatur stützen zu können. Vgl. Kayling, Die Rezeption und Modifikation des platonischen Erosbegriffs in der römischen Antike, in der Spätantike und im französischen Mittelalter unter Berücksichtigung der arabischen Tradition, S. 226–233. Eine Übernahme antiker Lebensformen scheint in der klassischen Abbasiden-Epoche aber durchaus plausibel zu sein, nachdem immer mehr griechische Schriften in den arabischen Kulturraum gelangen. Auch Georg Bossong stellt einen Zusammenhang zur klassischen Antike her. Vgl. Georg Bossong, «Einleitung», in: Ders. (Hrsg.), Das Wunder von al-Andalus. Die schönsten Gedichte aus dem Maurischen Spanien, aus dem Arabischen und Hebräischen ins Deutsche übertragen von Georg Bossong, München 2005, S. 7–52, S. 11.
  16. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 13.
  17. Ebd., S. 19.
  18. Um eine Orientierungshilfe zur allgemeinen Situation im arabischen Kulturraum zu geben, kann man Folgendes festhalten: Mit der Flucht des Propheten Mohammed 622 von Mekka nach Medina beginnt die islamische Ära, die die Expansion der Araber zur Folge hat. Im Jahr 661 übernimmt Mu’awiya, das Oberhaupt des Geschlechts der Umayyaden, das Kalifat und verlagert die Hauptstadt danach sofort nach Damaskus. Somit beginnt die Dynastie der Umayyaden, die 771 von den Abbasiden nach einem vierjährigen Bürgerkrieg gestürzt wird. Unter der Herrschaft der Abbasiden, die 500 Jahre dauert und während der die Hauptstadt nach Bagdad verlegt wird, erleben Kunst und Wissenschaft eine Blüte. Vgl. John Freely, Platon in Bagdad. Wie das Wissen der Antike zurück nach Europa kam, aus dem Englischen von Ina Pfitzner, Stuttgart 2012, S. 99. Für nähere Informationen siehe Bernard Lewis, Die Araber, aus dem Englischen von Wolfram Bayer, München 2002.
  19. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 25f. Um das Gazal gibt es in der Arabistik eine Diskussion, ob es aus dem Nasīb, der Liebeseinleitung der polythematischen Qasīde, entstanden ist oder aus einer anderen Form. Renate Jacobi unterteilt das Gazal deshalb in eine Nasīb- und eine Liedform. Da diese Diskussion nicht Gegenstand des Artikels sein soll, da sie einem anderen Fachbereich angehört, wird sie vernachlässigt.
  20. Das ist die Umschrift der arabischen Schrift. «Hidschasisch» stellt die eingedeutschte Variante dar.
  21. Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 52. Martin Jagonak hat das Bild der Liebe im Werk des ’udrītischen Dichters Gamil ibn Ma’mar auf der Basis einer genauen Textanalyse untersucht und kommt zu folgender Schlussfolgerung: «Gamils Dichtung zeigt insgesamt an so vielen Stellen Überschneidungen mit der sogenannten hiǧāzischen Liebespoesie, daß man kaum noch von einer sporadischen Übernahme einzelner Motiven [sic] sprechen kann. Damit stellt sich die Frage, inwiefern die bisherige Unterscheidung von hiǧāzischer und ’udrītischer Liebespoesie sinnvoll aufrechterhalten werden kann und ob sie – selbst wenn sie zunächst nur der groben Orientierung dienen soll – nicht zumindest erheblich differenziert und durchlässiger formuliert werden müßte […]», in: Martin Jagonak, Das Bild der Liebe im Werk des Dichters Gamil ibn Ma’mar, Wiesbaden 2008, S. 196.
  22. Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 47.
  23. Vgl. Jagonak, Das Bild der Liebe im Werk des Dichter Gamil ibn Ma’mar, S. 11. Heine veröffentlicht das Gedicht in seinem Romanzero.
  24. Vgl. Ott, «Nachwort», S. 136, und Walther, die dazu schreibt: «Madschnun, der von Dschinn, das heißt von der (unerfüllten) Liebe, so Besessene, daß er wahnsinnig wurde, geht vor Schmerz über seine nie zu realisierenden Gefühle für seine Kusine Laila, die von ihrem Vater mit einem ungeliebten Mann verheiratet wurde, in die Einsamkeit der Wüste. Er lebt dort mit den wilden Tieren und stirbt schließlich an Auszehrung», in: Walther, Kleine Geschichte der arabischen Literatur, S. 57.
  25. Vgl. nochmals den bereits zitierten Vers: «Nur das sind Menschen, die verliebt sind und voll Liebesverlangen, und nichts gutes [sic] ist an dem, der nicht liebt und nicht verliebt ist», in Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 59. So schreibt auch Mansoor über die veredelnde Wirkung der Liebe, die von zahlreichen arabischen Liebestheoretikern festgehalten wird: «Diese Auffassung der Liebe war bei den Arabern ein bereits durch Jahrhunderte tradierter Gemeinplatz ihrer Poesie sowie ihrer philosophischen und belletristischen Schriften über die Liebe.» Er bezieht sich hier auf das kitab al muwassa von al-Wassa, die 36. Abhandlung der Ihwan as-Safa (Treue Brüder) und auf Das Halsband der Taube von Ibn Hazm. Vgl. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 188–191.
  26. Bauer schreibt über die Zurafa: «Wir finden sie wieder in Berichten über fityan, jungen Leuten aus ‹gutem› Hause, die sich von ihren Familien getrennt haben und ein eigenes Haus gemietet haben, wo sie in Gütergemeinschaft zusammenleben. Dort leisten sie sich, wenn einer von ihnen Geld mitgebracht hat, gutes Essen, Musik und Sängerinnen», in Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 65.
  27. Jagonak, Das Bild der Liebe im Werk des Dichter Gam il ibn Ma’mar, S. 13.
  28. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 45.
  29. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 56. Bauer verweist darauf, dass das Lob auf die Zähne und den Speichel der geliebten Person «zu den ältesten Themen der arabischen Dichtung» gehört. Vgl. Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 298. Vgl. auch ebd., S. 298–302.
  30. Im Hohelied werden die Zähne nicht als Perlen, sondern als Schafherde beschrieben. Vgl. Hohelied 4, 2 und 6, 6.
  31. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 197. Es muss an dieser Stelle an Platon erinnert werden, der diesen Augen-Topos als entscheidend ansieht. Im Phaidros hebt er hervor, dass das sinnliche Schöne durch die Augen in die Seele eindringe und durch die Erinnerung an die Idee des Schönen ein Erschaudern auslöse. Auch in der römischen Liebeselegie wird dieser Topos benutzt. Vgl. etwa «Cynthia prima suis miserium me capit ocellis, / contactum nullis ante Cupidinibus», in: Sextus Propertius, «Elegiarum liber I,1 (Auszug)», in: Daniel Syrovy (Hrsg.), 2500 Jahre Liebesdichtung, Wien 2013, S. 49.
  32. Lauras Augen fesseln hier das lyrische Ich: «ché i be’ vostr’occhi, mi legaro.» Die Augen des lyrischen Ichs sind aber auch «Pforten der Liebe»: «Trovommi Amor del tutto disarmato, / et aperta la via per gli occhi al core, / che di lagrime son fatti uscio e varco».
  33. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 213.
  34. Vgl. Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 288ff. und El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 196ff. Bauer schreibt zum Motiv des Beschusses: «Das weitaus häufigste, schon seit der Omayyaden-Zeit belegte Motiv, durch das die Wirkung des Blicks auf den Liebenden veranschaulicht werden soll, ist die Metapher des Beschießens: Der Blick der geliebten Person beschießt den Liebenden, zielt auf das Herz des Liebenden etc. Dem entspricht das Bild Blick=Pfeil. Die Pfeile wiederum verwunden den Liebenden, ja töten ihn sogar», in: Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 188f.
  35. Man könnte hier eine Duplizität der Augenliebe erkennen. So schießt Amor das Bild der Geliebten nämlich über die Augen – als «Pforte der Liebe» – direkt ins Herz.
  36. Die Rose erfährt in der orientalischen und damit auch arabischen Welt größte Wertschätzung. In der griechischen Antike ist sie die Blume der Aphrodite, die, ebenso wie Dionysos, einen orientalischen Ursprung hat. Als wilde Hagebuttenrose ist sie das Symbol der nordischen Freya, im Christentum schließlich wird sie zum Symbol Marias.
  37. Vgl. Bauer, Liebe und Liebesdichtung in der arabischen Welt des 9. und 10. Jahrhunderts, S. 238–241.
  38. Vgl. El Omari, die dazu schreibt: «Diese Vorliebe der hispano-arabischen Dichter [für die Natur, Anm. der Verf.] spiegelt sich in den zahlreichen Bildern der Wangenbeschreibung wider: die Blumen allgemein, der Garten, der Frühling, die Rose, die Lilie, die Jasminblüte, die Kamillenblüte, Anemone, die Margariten, die Myrrhe, die Korallen, der Apfel, der Granatapfel und die Früchte allgemein», in: El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 174. Sie hebt in diesem Kontext aber auch hervor, dass die Bilder nicht immer nur spezifische Bilder der Wangenbeschreibung sind.
  39. Ebd. Sie führt weiterhin aus: «Die Flora auf der Iberischen Halbinsel machte es geradezu notwendig, dass diese in den Kreationen von al-Andalus eine wichtige Position einnahm. Die Verbundenheit zur farbenfrohen Natur zeigt sich […] nicht nur in metaphorischen Ausführungen, sondern in der Liebeskonzeption selbst, denn der hispano-arabische Dichter bevorzugt die Treffen mit der Geliebten und das Gedenken an sie unter freiem Himmel, umgeben von den Farben der Bäume, Sträucher und Blumen.»
    Vgl. zu den Naturschilderungen auch Bossong, «Einleitung», S. 20: «Im Hinblick auf den Inhalt und die Thematik der Dichtung ist immer wieder hervorgehoben worden, daß sich die Dichtung von al-Andalus durch ihre hochentwickelte Sensibilität für die Natur auszeichnet. Gedichte auf die Schönheit der üppig grünenden, farbenprächtig erblühenden Natur von Hispanien sind überaus zahlreich.»
  40. Im Jahre 711 gelingt es den Arabern unter der Heerführung von Tāriq ibn Ziyād fast ganz Spanien einzunehmen. Nach dem Sturz der Umayyaden durch die Abbasiden gelingt einem Umayyaden-Prinzen die Flucht nach Spanien, der 756 als Emir ’Abd ar-Rahmān I. zum Begründer der Umayyaden-Dynastie in Cordoba wird. Trotz der politischen Unabhängigkeit bleibt das arabische Spanien dem Orient kulturell eng verbunden. Bereits im 11. Jahrhundert zerfällt das Reich durch innere Konflikte in viele kleine Fürstentümer, sogenannte taifas. Obwohl Rivalitäten Kunst und Wissenschaft der einzelnen Herrscher befördern, begünstigt die Zwietracht unter den Muslimen doch das Vordringen der Christen, sodass 1085 das wichtigste Bollwerk Toledo fällt. Deshalb wenden sich einige einflussreiche Muslime hilfesuchend an die Almoraviden, die bis 1145 über Spanien herrschen und unter denen es zu einem konservativen Kurs kommt, der sich auch gegen die Christen in al-Andalus richtet, die vorher – genauso wie die Juden – ihre Religion frei ausüben durften, da sich al-Andalus durch die sogenannte convivenzia auszeichnete. Auf die Almoraviden folgen die Almohaden, die Spanien bis etwa 1223 beherrschen. Danach verstricken sie sich mehr und mehr in dynastische Zwistigkeiten und ziehen sich aus Spanien zurück, sodass die christlichen Heere immer mehr Erfolge verbuchen können. 1492 ist die Reconquista mit der Einnahme Granadas schließlich abgeschlossen. Vgl. W. Montgomery Watt, Der Einfluß auf das europäische Mittelalter, Berlin 2001, S. 14–16 und El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 30f.
  41. Vgl. Watt, Der Einfluß des Islams auf das europäische Mittelalter, S. 45, Bossong, «Einleitung», S. 24f. und El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 33–38, die einen Vorläufer der Muwaššah im arabischen Musammat sieht.
  42. In diesem Zusammenhang muss man sich die sprachliche Situation im arabischen Raum vergegenwärtigen. Es ist eine Situation der Diglossie, vergleichbar mit der in der Romania vor dem Zerfall des römischen Reichs. Das Hocharabisch ist reine Schriftsprache, zu der regional variierende gesprochene Dialekte kommen. Lediglich der hispano-arabische Dialekt wird zur Schriftsprache. Vgl. Bossong, «Einleitung», S. 27.
  43. Vgl. Bossong, «Einleitung», S. 29, und El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 35–38.
  44. Vgl. Kayling, Die Rezeption und Modifikation des platonischen Erosbegriffs in der römischen Antike, in der Spätantike und im französischen Mittelalter unter Berücksichtigung der arabischen Tradition, S. 236. So wird vielen Sufi-Meistern, unter ihnen Ibn ’Arabī, der Ehrentitel Ibn Aflātūn verliehen. Allgemein ist Platon den Arabern als Aflātūn bekannt. Vgl. Richard Walzer, «Platonism in Islamic Philosophy», in: Richard Walzer, Greek into Arabic. Essays on Islamic philosophy, Oxford 1963, S. 238.
  45. Ott, «Nachwort», S. 140.
  46. Vgl. Annemarie Schimmel, Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik, München 2000, S. 54.
  47. Vgl. Ott, «Nachwort», S. 141, aber auch Schimmel, Sufismus, S. 38. Es sei an dieser Stelle das Gedicht XLIV Das Diadem aus dem turǧumān al-ašwāq zitiert: «Der volle Mond bricht aus des Haares Nacht, / der schwarzen Augen Glut betaut die Rosen: / ein Mädchen – alle stehen vor ihr verzückt; / vor ihrem Licht verblaßt des Mondes Rund. / Tritt sie ins Herz ein, so versehrt sie schon / die Vorstellung allein; wie erst der Blick? / Ein Traumbild, das zerfließt, wenn wir es nennen, / ist sie zu zart für unsres Schauen Bühne, / Beschreibung sucht, ihr Wesen darzulegen; / sie steigt empor, das Wort reicht nicht heran; / es wünscht, ihr Wie genau und klar zu sagen, / und zieht sich doch auf seiner Spur zurück. / Wenn, wer sie sieht, den Pferden Ruhe gibt, / so ruhn doch nicht die Pferde der Gedanken. / Sie ist der Freudenhauch, wer für sie brennt, / den hebt sie aus der Menschen Maß heraus, / aus Eifersucht, daß sich ihr Leuchten mischt / mit jenen, dem der Schlamm das Becken trübt. / Sie überstrahlt mit ihrem Glanz die Sonne, / an keiner Form läßt ihre Form sich messen. / Des Lichtes Sternenkreis liegt ihr zu Füßen, / die Sphären überragt ihr Diadem», in: Bossong (Hrsg.), Das Wunder von al-Andalus, S. 154.
  48. Schimmel zitiert Rückert, der mit einem treffenden Wortspiel dieses Oszillieren zwischen göttlicher und sinnlich-irdischer Liebe im Werk von Hafiz gut aufzeigt: «Hafiz, wo er scheinet Übersinnliches / nur zu reden, redet über Sinnliches. / Oder redet er, wenn über Sinnliches / er zu reden scheint, nur Übersinnliches? / Sein Geheimnis ist unübersinnlich; / denn sein Sinnliches ist übersinnlich», in: Annemarie Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, Frankfurt am Main 1999, S. 409.
  49. Prägend für das Werk Rūmīs, einem der bedeutendsten mittelalterlichen Sufi-Dichter, nach dem der Mevlevi-Derwisch-Orden benannt ist, ist seine Liebe zu dem Wander-Derwisch Shams von Tabriz. Vgl. ebd., S. 438–462.
  50. Ebd., S. 424.
  51. Vgl. ebd., S. 415.
  52. Bossong, «Einleitung», S. 14f.
  53. Vgl. beispielsweise: «Oh du, die du jemanden zum Bluten bringst, ohne Blut zu vergießen, / den freien Mann, machst du zum Sklaven» von Ibn ’Abd Rabbihi (gest. 940) oder «Du bist die Herrscherin, ich der Sklave» von Ibn Quzman, beides in: El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S.68. Von al-’Abbās Ibn al-Ahnāf gibt es auch den Vers: «Die Liebe hat mich euch leibeigen gemacht, in der Knechtschaft eines Sklaven, der nicht freigelassen wird», in: Silvestro Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und der frühitalienischen Lyrik, Köln 1956, S. 94.
  54. Vgl. «Ich bewache mit außergewöhnlicher Vorsicht den Namen meiner Freundin, / weil es Tradition ist, ihn nicht auszusprechen, und ich nicht aufhöre, sie durch meine Rätsel / in einer versteckten Form zu präsentieren» von Ibn al-Haddad (gest. 1088), in: El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 70. Aber vgl. auch den Vers von al-’Abbās Ibn al-Ahnāf «Ich belog sie und verbarg mein wahres Gefühl in einem fort, bis ich durch eine andere als meine Geliebte bekannt wurde», in: Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und frühitalienischen Lyrik, S. 93. Man muss hierbei sofort an Dante denken, der das lyrische Ich in der Vita Nova einen «schermo» bedichten lässt, um den wahren Grund seiner Gefühle zu verbergen.
  55. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 68, aber auch u. a. Aurelio Roncaglia, «Die arabisch-spanische Lyrik und die Entstehung der romanischen Lyrik außerhalb der iberischen Halbinsel», in: Rudolf Baehr (Hrsg.), Der provenzalische Minnesang. Ein Querschnitt durch die neuere Forschungsdiskussion, Darmstadt 1967, S. 231–263, S. 252, Alois R. Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, Baltimore 1946, S. 395, und Maria Rosa Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 77.
  56. Vgl. Roncaglia, «Die arabisch-spanische Lyrik und die Entstehung der romanischen Lyrik außerhalb der iberischen Halbinsel», S. 251, der beispielsweise auf den odiosus custos puellae bei Plautus, Ovid, Tibull und Properz verweist.
  57. Vgl. «Seigneur, vos que l’esgart blasmatz / dels huoills e lor plazen faisson, / non sabetz que messargier son del cor,qu’ls hi a enviatz? – Herr, Ihr, der Ihr den Blick der Augen und ihre liebliche Art tadelt, wißt ihr nicht, daß sie Boten des Herzens sind, das sie dahin geschickt hat?», in: Rieger (Hrsg.), Mittelalterliche Lyrik Frankreichs I. Lieder der Troubadors, Provenzalisch/Deutsch, ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Dietmar Rieger, Stuttgart 1980.
  58. So etwa bei Peire Vidal: «Ich öffnete gern mein Herz / für die tausend Pfeile, / die sie mit diesen schönen Augen abschießt», in: El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 72.
  59. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, S. 410.
  60. Ebd., S. 423. So schreibt Ruzbihan beispielsweise: «Ich sah eines Nachts etwas, das die Himmel umschloß, / ein rotes Licht, das wie eine Perle schimmerte, / Ich fragte: «Was ist das?» und mir ward gesagt: «Das ist der Mantel der Göttlichen Glorie. – / Oft sah ich die Göttliche Wahrheit – transzendent / ist Sie! – zwischen einem Rosenzelt, einem Rosenschleier / und einer Welt weißer und roter Rosen», in: Schimmel, Sufismus, S. 56 f.
  61. Ebd.
  62. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 70.
  63. Vgl. ebd., S. 71 aber auch Roncaglia, «Die arabisch-spanische Lyrik und die Entstehung der romanischen Lyrik außerhalb der iberischen Halbinsel», S. 255. Siehe etwa den Liedanfang von Bernart de Ventadorn: «Can la frej’aura venta / deves vostre pais / vejaire m’es qu’ieu senta / un ven de paradis».
  64. Roncaglia, «Die arabisch-spanische Lyrik und die Entstehung der romanischen Lyrik außerhalb der iberischen Halbinsel», S. 256f.
  65. «hundertmal am Tage sterbe ich vor Schmerz / und lebe weitere hundert (Male) vor Freude wieder auf», in: Rieger (Hrsg.), Mittelalterliche Lyrik Frankreichs I. Sowie vom gleichen Dichter: «En greu pantais sui feblezitz / per leis cui Beutatz volc formar / que com Natura poc triar, / del melhs es sos cors establitz: / los flancs grailes et escafitz, / sa fatz frescha com roza par / don me pot leu mort revivar. / dirai com? No sui tan arditz. – In großer Qual (Beunruhigung) werde ich kraftlos, um ihretwillen, welche die Schönheit selbst bilden wollte, denn ihr Körper ist, wie Natur es erlesen konnte, aus dem Besten hergestellt: die Hüfte schlank und geschmeidig, ihr Anlitz erscheint frisch wie die Rose, weshalb sie mich, wenn ich tot bin, leicht wieder beleben kann. Soll ich sagen wie? So verwegen bin ich nicht», in: Mansoor, Die arabische Theorie, S. 219f.
  66. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 221.
  67. Vgl. dazu etwa Ibn Zaidūn, der sagt: «Will you not have pity on one who spends / his wakeful nights tormented, without sleep?», zitiert nach: Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 111.
  68. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 224.
  69. Ebd., S. 250. Man denke nur an das schon öfter zitierte Liebespaar Madschnun und Laila oder auch an Urwu und Afra, die beispielsweise auf Floire und Blanchefleure wirken.
  70. Vgl. ebd., S. 277. Mansoor zitiert etwa Bernart de Ventadorn, der sagt: «e si’m sui de midons lonhend, / vas se’m tira com azimans / la bela cui Deus defende – Und wenn ich mich von meiner Frau entferne, wie ein Magnet zieht mich die Schöne an sich, welche Gott schütze.»
  71. Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 24f.
  72. Barbieri, Dell’origine della poesia rimata, S. 43.
  73. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 73.
  74. Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 379. Er verweist an anderer Stelle auf folgende Analogien: «1. The average number of the strophes in all of the older Troubadours is seven. 2. There is the alternate use of rhyme in lines which would correspond to gusn or simt (or qufi), and this rhyme frequently is the same in all strophes. 3. The application of the term vers to the whole strophe. The term cobla may have originally referred to one line before it was applied to the whole strophe. 4. The use of refrain (markaz) by Marcarabu who is the first to use in six of his poems. 5. Indication of a device similar to the hargar by Jaufre Rudel, although the tornada may be considered to be of a similar nature», in: Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 390.
  75. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 77.
  76. Vgl. Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 380.
  77. Vgl. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 21, Roger Boase, The origin and meaning of courtly love, Manchester 1977, S. 62, der diese These folgendermaßen zusammenfasst: «The music to which the European troubadours set their songs was Arabic in inspiration.»
  78. Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 380.
  79. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 24.
  80. Vgl. ebd., S. 25, Boase, The origin and meaning of courtly love, S. 72. Auch El Omari verweist auf lute (ūd), rebec (rabāb) und guitar (quītāra); vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 64.
  81. Vgl. Maria Rosa Menocal, «The Etymology of Old Provenҁal trobar, trobador: A Return to the ‹Third Solution›», in: Romance Philology, Vol. XXXVI, No. 2, November (1982), S. 137–153, S. 141. Meistens wird das Verb trobar mit ‹finden, erfinden› verbunden, so beispielsweise Spitzer, der das Verb von contropare ableitet. Diez und Schuchardt leiten trobar von turbare ab, das über die von ihnen nachgewiesene Stufe turbare acquam – «Fische finden» – die Bedeutung «finden» allgemein erhält. Gaston Paris und Antoine Thomas leiten es von tropare ab, einer nicht bewiesenen Form, die sich von tropus ableiten soll, das im Spätlatein die Bedeutung «Variation einer Melodie» bekommt. Damit bekommt das trobar also die musikalische Bedeutung «komponieren, eine Melodie finden», dass dann metonymisch für «finden» allgemein eingesetzt wird. Menocal unterscheidet in ihrem Artikel zwischen den Bedeutungen trobar «finden» und dem musikalischen trobar der trobadors, das für sie arabisch inspiriert ist.
  82. Vgl. ebd., S. 47.
  83. Vgl. Boase, The origin and meaning of courtly love, S. 70. Auch Tiraboschi verweist, indem er der Argumentation von Giovanni Andrés folgt, auf eine gewisse Nähe zwischen Spanien und Südfrankreich. So berichtet er etwa von dem großen Einfluss der Könige von Navarra auf die Gascogne oder von dem der Grafen von Barcelona auf das Roussillon. Genauso weist er auf «il matrimonio di Alfonso VI. Re di Leon e Castiglia dopo la metà dell’undecimo secolo prima con Agnese figlia di Guglielmo VI. Conte di Poitiers e VIII. Duca di Aquitania (sorella dal canto di Padre di quel Guglielmo IX. che è il primo autor conosciuto di Provenzali poesie) poi con Costanza figlia di Roberto Duca di Borgogna» hin. Vgl. Tiraboschi, «Prefazione», S. 18.
  84. Vgl. ebd., S. 68.
  85. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 81.
  86. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 157. Ebenso verweist Tiraboschi auf die «molti monumenti Arabici, che tuttora si ritrovano in Provenza». Vgl. Tiraboschi, «Prefazione», S. 18.
  87. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 84.
  88. Vgl. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 157–164. Er verweist etwa auf die Einnahme von Barbastro, bei der Singsklavinnen erbeutet werden. Man kann also festhalten, dass «die Reconquista in Bezug auf den Transmissionsprozess von einiger Bedeutung ist, denn die wiedereroberten Städte […] öffneten die Tore der arabischen Kulturwelt für die christliche Welt, die der islamisch-arabischen Welt näher rückte» (S. 152).
  89. Tiraboschi, «Prefazione», S. 14.
  90. Mansoor, Die arabische Theorie, S. 3. Die Übersetzung folgt Friedrich Freiherr von Schack.
  91. Abb. aus: Kay Peter Jankrift, Europa und der Orient im Mittelalter, Darmstadt 2007, S. 99.
  92. Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 49. Vgl. zu Petrus Alfonsi auch Mansoor, Die arabische Theorie, S. 167.
  93. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 77.
  94. Vgl. ebd., S. 78, und Mansoor, Die arabische Theorie, S. 154.
  95. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 78.
  96. Ebd. Sie verweist mit Garcia Gomez auf das Lied Calvi vi calvi / calvi arabi, um die Wanderung eines arabischen Lieds in das Repertoire der christlichen Dichter aufzuzeigen.
  97. Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 98.
  98. Roncaglia, «Die arabisch-spanische Lyrik und die Entstehung der romanischen Lyrik außerhalb der iberischen Halbinsel», S. 261.
  99. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 81.
  100. Vgl. ebd., aber auch Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 27, und Mansoor, Die arabische Theorie, S. 157–164.
  101. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 81f.
  102. Vgl. ebd., S. 82.
  103. Ebd., S. 81.
  104. Vgl. ebd., S. 82.
  105. Vgl. ebd.
  106. Vgl. ebd., S. 83.
  107. Wilhelm IX. benutzt dort einen «alternate rhyme between longer and shorter lines», in: Nykl, Hispano-Arabic poetry and its relations with the Old Provenҁal Troubadours, S. 383.
  108. Ebd.
  109. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 83. Sie verweist dabei auf A. R. Nykl, Robert Briffault und Evariste Lévi-Provenҁal, die aber jeweils «drei verschiedene Vokalisierungen und Übersetzungen der Passage angeben.» Der Romanist Roncaglia widerspricht dagegen der These eines Relikts der arabischen Sprache in diesen Versen, die den arabischen Einfluss auf Wilhelm IX. aufzeigen sollen, da «jene Verse nicht auf Wilhelm, sondern auf den zwei Jahrhundert später lebenden Compilator der Liedersammlung zurückgehen», in: Roncaglia, «Die arabisch-spanische Lyrik und die Entstehung der romanischen Lyrik außerhalb der iberischen Halbinsel», S. 261.
  110. Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und der frühitalienischen Lyrik, S. 5.
  111. Ebd.
  112. Während ihrer Expansion erobern die Araber lange Streifen der Mittelmeerküste, weshalb sie sich nicht mehr nur byzantinischen Heeren, sondern auch der byzantinischen Flotte gegenübersehen und so führen die Araber auch zur See Krieg mit Byzanz. Der erste arabische Angriff auf Sizilien erfolgt im Jahr 652, der ist aber mehr ein Raubfeldzug und zieht gut 100 Jahre lang Kämpfe um Sizilien nach sich. Die eigentliche Eroberung Siziliens beginnt 825, als der byzantinische Admiral Euphemius die Insel usurpiert und nach seiner Flucht den aghlabidischen Herrscher von Ifriqiya um Hilfe bittet, der das Gebiet zwar nominell für die abbasidischen Kalifen verwaltet, de facto jedoch unabhängig ist. Der tunesische Emir stellt daraufhin eine Flotte von siebzig bis hundert Schiffen auf, die 827 in Mazara del Vallo landen. Der Angriff erfolgt schleppend und wird erst durch die Unterstützung spanischer Abenteurer gesichert. So nehmen die Araber im Jahr 831 Palermo ein, das während der gesamten muslimischen Herrschaft die Hauptstadt der Insel bleibt. Der Krieg zwischen Byzanz und den Arabern dauert bis 895/896 und endet mit dem völligen Verzicht der Byzantiner auf Sizilien. Die Araber nehmen in der Zwischenzeit um 843 Messina, 859 Castrogiovanni (heute Enna) sowie 878 Siracusa ein und landen sogar auf dem italienischen Festland. So machen sie den Papst in Rom zwei Jahre lang tributpflichtig. Das muslimische Sizilien steht zuerst unter der Verwaltung von Ifriqya, das ab dem Jahr 909 von den Fatimiden beherrscht wird, die die Aghlabiden stürzen. Nach der Übersiedlung der Fatimiden nach Ägypten im Jahr 972 kommt es zu einer Lockerung der Zentralverwaltung und der Vererbung des Amts des Statthalters unter der Dynastie der Kalbiten, die bis 1040 besteht. Unter dieser erblichen Statthalterschaft gelangen die Macht und der Einfluss der Araber auf der Insel zu ihrem Höhepunkt, sodass es allein in Palermo dreihundert Moscheen geben soll. Aufgrund eines Bürgerkriegs zwischen sizilianischen und nordafrikanischen Moslems kommt es zum Sturz der Kalbiten sowie in Folge zur politischen Instabilität, die die Normannen ausnützen. Unter der arabischen Herrschaft erlebt Sizilien eine Blüte. Die Araber bringen Orangen, Baumwolle, Maulbeeren und die Seidenraupe auf die Insel. Aber auch die Wissenschaft und die Literatur blühen auf. Vgl. Lewis, Die Araber, S. 150–154.
  113. Vgl. Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 61, aber auch Watt, Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, S. 18: «Bei der Rückeroberung Siziliens scheinen jedoch materielle Motive eine größere Rolle gespielt zu haben als religiöse, und so blieb die Insel in vielem ein Teil der islamischen Welt. Die Lebensführung mancher späteren Herrscher Siziliens wirkte auf die Zeitgenossen eher muslimisch als christlich. Namentlich […] Roger II. (1130–1154) und dessen Enkel Friedrich II. von Hohenstaufen (1215–1250) hat man ‹die beiden christlich getauften Sultane Siziliens› genannt.» Vor allem was Friedrich II. betrifft, ist das Verhältnis zu den Moslems zwiespältig, was etwa durch deren Verbannung nach Lucera aufgezeigt wird und worauf weiter unten nochmals näher eingegangen wird.
  114. David Abulafia, Herrscher zwischen den Kulturen. Friedrich II. von Hohenstaufen, Berlin 1991, S. 253.
  115. In seinen Schlussbetrachtungen schreibt Abulafia zu seiner These: «In diesem Buch ist die These vertreten worden, daß der mittelalterliche König von Sizilien und Kaiser des Römischen Reichs, der seit dem 13. Jahrhundert allenthalben als stupor mundi, als Weltwunder also, tituliert wurde, nicht der verfrühte Renaissancedespot war, zu dem er im allgemeinen hochstilisiert wird, sondern ein Kind seiner Zeit. Man sollte die Herrscherqualitäten Friedrichs nicht unterschätzen, aber er war ganz bestimmt nicht der unversöhnliche Gegner des Papsttums, als der er gewöhnlich hingestellt wird», in: ebd., S. 397. Im Kontext der vorliegenden Betrachtungen ist besonders relevant, was Abulafia in seinem Vorwort hervorhebt: «Die Tatsache, daß er [Friedrich II.] sich auf eine Reihe von Machtkämpfen mit den Päpsten einließ, zog Legenden über sein Wirken nach sich oder führte dazu, daß Aspekte seines politischen Handelns über jedes realistische Augenmaß hinaus vergrößert worden sind. Er bot ideale Angriffspunkte für Gerüchte. Kaum ein anderer mittelalterlicher Herrscher korrespondierte wie er mit jüdischen und islamischen Gelehrten; kein anderer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches trug seine Krone in der Heiligen Grabeskirche zu Jerusalem; kein Herrscher seines Zeitalters konnte sich eines so effizient verwalteten, lückenlos kontrollierten Staatswesens rühmen, wie es das sizilianische Königreich Friedrichs II. war», in: ebd., S. 7.
  116. Vgl. ebd., S. 397.
  117. Vgl. ebd., S. 252, aber auch Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und frühitalienischen Lyrik, S. 12. So mit dem ägyptischen Sultan al-Malik al-Kamil und dessen Berater Fakhr al-din sowie tunesischen Emiren.
  118. Michael Scotus ist Übersetzer des großen Aristoteles-Kommentators Averroes. David Abulafia etwa hält zu Michael Scotus fest: «Ein anderes Beispiel ist Michael Scotus, die beherrschende Figur unter den ‹Hofgelehrten› Friedrichs II. Er verbrachte den größten Teil seines Arbeitslebens in Toledo, wo er Erfahrungen als Übersetzer und Magier sammelte. Diese Erfahrungen brachte er mit, als er an den kaiserlichen Hof kam, machte die Sizilianer darüber hinaus aber auch mit den Fortschritten der stark arabisch beeinflußten kastilischen Wissenschaft bekannt.» (S. 250) Aber auch jüdische Übersetzer sind am Hofe Friedrichs II. wichtig, wie die Familie Ibn Tibbon beweist, denn die verschwägerten Jacob Anatoli und Moses ben Samuel Ibn Tibbon wirken beide an der Übertragung arabischer Texte mit. Abulafia führt dazu weiter aus: «Die Familie der Ibn Tibbon war ursprünglich spanischer Herkunft und um die Mitte des 12. Jahrhunderts vor den fanatischen Almohaden […] nach Südfrankreich geflohen. Sie brachten Kenntnisse der arabischen Sprache und Philosophie mit, die selbst für die Verhältnisse einer so kultivierten jüdischen Gemeinde wie die des Languedoc ungewöhnlich waren. Zu den Arbeiten Anatolis gehörten die Übersetzung der Kommentare des Averroes […] und des Almagest von Ptolemäus. Dieses Werk war schon früher einmal, um 1160, im normannischen Sizilien ins Lateinische übertragen worden. Die normannische Fassung war eine Übersetzung aus dem Griechischen gewesen, während Anatoli einen arabischen Text als Vorlage hatte, der seinerseits die Überarbeitung einer syrischen Übersetzung des Originaltexts war.» (S. 251) Zu den wichtigsten Werken, die am Hof Friedrichs II. übersetzt werden, gehört der Wegweiser der Verwirrten von Maimonides, in dem Moses von Maimon die aristotelische Weltanschauung mit der jüdischen Religion zu verbinden sucht. Relevant scheint das Werk vor allem für Thomas von Aquin zu sein, der zu seinen frühen Lesern zählt und später ja auch versucht, die aristotelische Philosophie und seinen Glauben zu verbinden. Vgl. insgesamt Abulafia, Herrscher zwischen den Kulturen, S. 250–252.
  119. Monika Zeiner etwa verweist auf die Übersetzung von Schlüsseltexten der arabischen Alchimie wie das Lumen luminum von Geber Arabicus, angefertigt von Michael Scotus, der darüber hinaus selbst ein lateinisches Traktat über Alchimie verfasst, De alkimiae. Vgl. Monika Zeiner, Der Blick der Liebenden und das Auge des Geistes. Die Bedeutung der Melancholie für den Diskurswandel in der Scuola Siciliana und im Dolce Stil Nuovo, Heidelberg 2006 S. 98.
  120. Darauf verweist Zeiner in einleuchtender Weise; vgl. insgesamt ebd., S. 98–143. Zur Alchimie allgemein schreibt sie: «Grundlage des alchimistischen Systems ist das weltumspannende Prinzip der Analogien, das den supralunaren Makrokosmos mit dem sublunaren Mikrokosmos formal verbindet. Dabei ist die nach der neuplatonischen Ursprungsspekulation aus der Reflexion des Einen hervorgegangene Welt der sichtbaren Erscheinungen als Spiegelung des Höchsten zu verstehen, der aus der unformierten Urmaterie (materia prima bzw. das biblische Chaos) qua Emanation alles Seiende erschaffen hat. […] Die sinnfälligen Erscheinungen der Natur sind dabei nichts anderes, als die aufgrund ihres Abstiegs durch die einzelnen Planetenhimmel verunreinigten Ideen des Einen, die in der dunklen Materie als göttliche Lichtfunken substituieren und sich nicht etwa aufgrund ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit, sondern einzig durch den jeweiligen Grad ihres Anteils am Licht des schöpferischen Prinzips unterscheiden. Das Ziel der alchimistischen Praxis ist es daher, die in der Materie eingeschlossene göttliche Idee – aristotelisch: die Form – des Einzeldings durch künstliche Transmutation zu perfektionieren, d. h. in ihren ursprünglich vollkommenen Zustand zu überführen. Zu diesem Zweck wird im Labor der Prozess der creatio simuliert, wobei das natürliche Feuer des Schmelzofens mit der Urenergie des anfänglichen Schöpfungsfeuers korrespondiert.» (S. 100f.) Zeiner zeigt dann auf, wie in den Dichtungen Jacopos da Lentini die donna als figura mentis perfektioniert wird, was etwa auch durch das Bild des Malens im Herzen, vor allem in der Kanzone Meravigliosamente, ausgedrückt wird. Durch diesen neuplatonischen Zug, der durch die Alchimie transportiert wird, erscheint die Erhöhung der donna aber nochmals begründet, die somit einen Zusatz zum arabischen Einfluss darstellen könnte. Zeiner hält zu der Analogie zwischen alchimistischem Perfektionierungsprozess und der Internalisierung der donna als perfektes Wesen, was mit einer Scheidung von Geist und Materie einhergeht, Folgendes fest: «Ist nach neuplatonisch-hermetischer Vorstellung die materielle sublunare Welt im Wesentlichen Inkarnation, d.h. Materialisierung der Ideen des Einen, so betreibt die alchimistische Scheidung von Geist und Materie die Umkehrung dieses Verstofflichungsprozesses und damit die Wiederherstellung des idealen Urzustandes. In ähnlicher Weise strebt auch der Liebende in der Vorstellungskraft und deren quasi visionärem Vermögen eine vollendete Idee der Geliebten an, die nach Aristoteles in der geistigen Form ihrer inneren Essenz besteht. Der sinnliche Eindruck des phantasmas wird in der Phantasie des Liebenden als Idealform präfiguriert und damit gleichsam zur geistigen Perfektion seines inneren Wesens transformiert. Damit realisieren die noch heute sprichwörtlichen ‹Augen der Liebe› jenseits aller augenscheinlich-oberflächlichen Gegebenheiten tiefblickend die Freilegung der inneren Wesensart des geliebten Objekts.» (S. 116) Für Zeiner endet diese Analogie aber nicht mit strukturellen Parallelen, sondern findet ihren Ausdruck auch in der Feuersymbolik, die bei Jacopo da Lentini sehr oft gebraucht wird. Vor allem im Sonett Si como ’l parpaglion c’à tal natura wird dieser Zusammenhang deutlich: «Si como ’l parpaglion c’à tal natura / non si rancura – de ferire al foco, / m’avete fatto, gentil crëatura: / non date cura, – s’eo incendo e coco. / Venendo a voi lo meo cor s’asigura, / pensando tal chiarura – sï’a gioco: / come ’l zitello e’ oblio l’arsura, / mai non trovai ventura – in alcun loco. / Cioè lo cor, che no à ciò che brama, / se mor ardendo ne la dolce fiamma, / rendendo vita come la finise; / e poi l’amor naturalmente il chiama, / e l’adornezze che ’n sper’i è l’afiama, / rendendo vita come la finise.» Während in den beiden Quartetten das Feuer noch negativ konnotiert ist, spielen die Terzette durch Erwähnung des Phönix auf die Erneuerungskraft des Feuers innerhalb der Alchimie an. Das Feuer wird hier zu einem elixir vitae. Zeiner schreibt dazu: «Dieses alchimistische Feuer als elixir vitae, das die schlechten Säfte aus dem Organismus extrahiert, um aus dem Greis den Jüngling bzw. aus dem toten Leib das Leben zu fabrizieren, scheint in den beiden Terzetten des vorliegenden Sonetts zu wirken […]; das […] gleichlautende ‹rendendo vita come la finise› der letzten Zeile eröffnet darüber hinaus einen weiteren Hinweis auf die alchimistische Feuersymbolik, wenn hier in einem ironischen Wortspiel auf den Phönix angespielt wird. Dieser gilt seit den Anfängen der hermetischen Tradition als Alter Ego des in der Alchimie omnipräsenten Orobouros-Symbols. Nach hermetischer Vorstellung kommt der Vogel alle 500 Jahre in die Stadt Heliopolis, setzt sich dort auf das in seinem Nest befindliche Weltenei und verbrennt, um endlich aus der eigenen Asche neu zu erstehen.» (S. 131)
  121. Vgl. Abulafia, Herrscher zwischen den Kulturen, S. 249.
  122. Vgl. Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 121, aber auch El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 89, die auf ein Zeitzeugnis des englischen Historiographen Matthäus Paris (gest. 1259) verweist, in dem dieser den Besuch des römisch-deutschen Königs Richard Cornwall (1257–1272) schildert. El Omari kann dabei auf eine besonders einprägsame Szene hinweisen, die die Präsenz arabischer Sängerinnen und Tänzerinnen am Hof Friedrichs II. klar anzeigt.
  123. Eliana Mauro, Ettore Sessa, «Historischer und kunsthistorischer Überblick», in: Museum ohne Grenzen (Hrsg.), Arabisch-normannische Kunst. Siziliens Kultur im Mittelalter, Tübingen 2004, S. 35–67, S. 62. Des Weiteren wird ausgeführt: «So tauchen arabisch-normannische Stilelemente an gotischen Bauteilen auf, was sicherlich unter der erfahrenen Aufsicht oder auf Anregung des kaiserlichen Architekten Riccardo da Lentini geschah, so als wollte man hier die wesentlichen Elemente der völkerübergreifenden friderizianischen Herrschaftsidee nachbilden.»
  124. Vgl. Abulafia, Herrscher zwischen den Kulturen, S. 149, aber auch Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 61, die hervorhebt: «Frederick had from his infancy grown up with Arabic, and it was not simply one of the language of his court; it was one he mastered so well its classical forms that he was at times able to correct his own official translators.»
  125. Vgl. El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 90.
  126. Abulafia, Herrscher zwischen den Kulturen, S. 268.
  127. Vgl. Pietro Cutrupi, Poesia e cultura araba nella Sicilia medievale, Reggio Calabria 2014, S. 63.
  128. Mauro, Sessa, «Historischer und kunsthistorischer Überblick», S. 35.
  129. Mauro und Sessa verweisen auf «die Wandgliederungen durch Bögen mit gestaffelten Einfassungen, die gekreuzten Blendarkaden, die Spitzbögen mit gestelzten Wiederlagern: im Innenbereich die Intarsien mit Kammdekor am Sockelgesims, die Kufi-Inschriften, die gestelzten Kuppeln», in: ebd., S. 50.
  130. «Unter ihm fand die arabisch-normannische Kultur zu einer ganz neuen Qualität, ihren Höhepunkt hatte sie im letzten Jahrzehnt der Dynastie. Eine kontinuierliche Aktualisierung führte zu einem architektonischen Regelwerk als instrumentum regni, das griechische, römische und arabische Formen in sich vereinigte. Dabei entstand eine Kunst, die keine bloße Kultursynthese mehr war, sondern ein eigenständiges System, dessen einzelne Komponenten zwar die Wurzeln der architektonischen Ordnung bildeten, aber nicht mehr erkennbar waren», in: ebd., S. 53.
  131. Ebd., S. 52.
  132. Vgl., Museum ohne Grenzen (Hrsg.), Arabisch-normannische Kunst, S. 74. Die Zisa, deren Bau unter Wilhelm I. begonnen und unter Wilhelm II. vollendet wird, ist eins der sollazzi im Königlichen Park der Normannen, zu dem man Folgendes festhalten kann: «Von allen Profanbauten aus normannischer Zeit ist der Königliche Park in der Ebene von Palermo mit den darin entstandenen Lustbauten, den so genannten sollazzi, eine der komplexesten und originellsten Schöpfungen weltlicher Architektur und Kunst überhaupt», in: Mauro, Sessa, «Historischer und kunsthistorischer Überblick», S. 53.
  133. Ebd., S. 52.
  134. Museum ohne Grenzen (Hrsg.), Arabisch-normannische Kunst, S. 155. Der Mantel «wurde vom Staufer Heinrich VI. zusammen mit dem gesamten Kronschatz der Normannen (darunter den berühmten Gewändern Wilhelms II.) beschlagnahmt und nach der Kaiserkrönung seines Sohnes Friedrich II. (1220 in Rom) als wesentliches Attribut der Herrscherwürde Teil der Reichskleinodien.»
  135. Vgl. Mauro, Sessa, «Historischer und kunsthistorischer Überblick», S. 52, aber auch Lewis, Die Araber, S. 155, und Corrao, «Prefazione», S. 21.
  136. In: Cutrupi, Poesia e cultura araba nella Sicilia medievale, S. 87. Die arabischen Dichter in der normannischen Epoche loben vor allem den weiter oben erwähnten Königlichen Park mit seinen sollazzi. So auch ’Abd ar-Rahmān ibn Abi al-’Abbās al-Kātib al-Itrābanish (il Trapenese), der der Favara (castello Maredolce) eine Ode widmet: «Favara dal duplice lago, ogni desiderio in te assommi: / vista soave e spettacol mirabile. / Le tue acque si spartiscono in nove rivi; oh bellissime diramate correnti!... / oh il lago delle due palme che meraviglia! E il palazzo sovrano / eretto in mezzo al lago che lo cinge… / tutta lama liscia è il lago…/ i rami del giardino si protendono / a vedere i pesci scherzare / e nuota il pesce nelle sue acque limpide / e cantano gli uccelli nel suo folto d’alberi / […] / l’ho veduto questo con in miei occhi / ma sentissi parlare di simili delizie crederei a un imbroglio», in: ebd., S. 77f.
  137. Vgl. dazu Dietmar Rieger (Hrsg.), Mittelalterliche Lyrik Frankreichs I, S. 314f., der in seinem Kommentar zu dem Marienlied Humilis, forfaitz, repres e penedens von Guiraut Riquier schreibt, dass die große Rolle, die bei jenem und bei seinen Zeitgenossen die religiöse Lyrik spielt, auf das eigentlich schon eingetretene und seit den Albigenser-Kreuzzügen vorprogrammierte Ende der Trobadorlyrik hinweise. Er fährt fort und stellt dabei allgemein zum Marienlied fest: «Das Marienlied selbst als eine in die Trobadorlyrik integrierte Gattung ist ebenfalls ein Symptom für deren Niedergang, denn implizit und auch explizit stellt sie eine grundsätzliche Absage an die trobadoreske Tradition dar. Denn das Marienlied offeriert als Gegenkanzone eine klare Alternative zum ‹paradoxe amoureux›: die Liebe zu Maria ist eine stets erfüllte.» Aber auch Kayling, die heraushebt, dass in der letzten Phase der Trobadordichtung die höfische Liebestheorie auch von den Albigensern verbreitet wird, die der Materie und der Körperlichkeit als gnostische Sekte sehr suspekt gegenüberstehen. Vgl. Kayling, Die Rezeption und Modifikation des platonischen Erosbegriffs in der römischen Antike, in der Spätantike und im französischen Mittelalter unter Berücksichtigung der arabischen Tradition, S. 180. Diese Tatsache leistet der weiteren Entsinnlichung der donna sicherlich nochmals Vorschub.
  138. Vgl. dazu die Ausführungen über die überzeitliche Schönheit der geliebten Person, aber beispielsweise auch: «Ella t’ammalia con gli occhi e sembra una hurì fuggita dal Paradiso; / Sorridendo ti fa vedere perle sparse in mezzo all’acceso color della corniola. / La sua bellezza ecclissa la luna del Cielo; e quando tu fissi le sue pupille, ti senti inebriare.» (Abu al-Fadl Ga ’far ibn al-Barun) in: Michele Papa (a cura di), I poeti arabo-siciliani (IX–XI Sec.), Catania 1973, S. 81. Man muss an dieser Stelle Monika Zeiner widersprechen, die in der Melancholie, die ihrer Meinung nach erst in der scuola siciliana relevant für die Liebeslyrik wird, einen Grund für den von ihr konstatierten Diskurswandel in der scuola siciliana sieht. Diese These kann man aus mehreren Gründen zurückweisen. Erstens: Man erkennt bei Jacopo da Lentini zwar eine vermehrte Rezeption der Melancholie, trotzdem ist die Situation, wie es im Abschnitt über die Trobadorlyrik deutlich wurde, auch in der provenzalischen Liebesdichtung gegeben. Zweitens: Ein Diskurswandel erscheint deswegen nicht gegeben zu sein, da die donna zwar erhöht und spiritualisiert wird, diese Spiritualisierung aufgrund der Hinwendung zur religiösen Dichtung und dem Marienlied in der Spätphase der Trobadorlyrik jedoch in einem Kontinuum gesehen werden kann. Drittens: Wenn man in der weiteren Spiritualisierung der donna unbedingt einen Diskurswandel sehen will, so scheint dieser doch eher arabisch begründet zu sein.
  139. Roberto Antonelli (a cura di), I poeti della scuola siciliana – Giacomo da Lentini, Milano 2008, S. 541.
  140. Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und der frühitalienischen Lyrik, S. 120. Menocal verweist darauf, dass am Hof Friedrichs II. Ibn Arabi rezipiert worden sein könnte; vgl. Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 121, und Francesca Maria Corrao sogar darauf, dass die Mystik auf Sizilien eine große Bedeutung hatte; vgl. Francesca Maria Corrao, «Prefazione», in Dies. (a cura di), Poeti arabi di Sicilia, Messina 2002, S. 7–35, S. 12f., was den arabischen Einfluss hinsichtlich einer zunehmenden Spiritualisierung der Liebe noch plausibler erscheinen lässt.
  141. Heinz Willi Wittschier, Die italienische Literatur des Duecento. Einführung und Studienführer, Frankfurt am Main 2000, S. 125.
  142. Friedrich, Epochen der italienischen Lyrik, S. 26.
  143. Vgl. Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und der frühitalienischen Lyrik, S. 116–121.
  144. Antonelli (a cura di), I poeti della scuola siciliana – Giacomo da Lentini, S. 404. Im zweiten Quartett wird zwar auf die Möglichkeit einer Liebe, die nicht durch die Augen ausgelöst wird, verwiesen – wahrscheinlich bezieht sich Jacopo hier auf Jaufré Rudels Konzeption der amor de lonh – aber die Möglichkeit doch als Ausnahme gewertet; vgl. «Ben è alcuna fiata om amatore / senza vedere so ’namoramento, / ma quell’amor che stringe con furore / da la vista de li occhi ha nas[ci]mento:»
  145. Andreas Capellanus, De amore/ Über die Liebe, Lateinisch / Deutsch, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Florian Neumann, Mainz 2003, S. 10.
  146. Schnell verweist in seinem Buch Causa amoris auf mehrere Ursachen der Liebe (causa efficens). Als wichtigsten und ersten Grund nennt auch er das Sehen, das aber für ihn in der mittelalterlichen Liebestheorie nur die amicitas carnalis auslöst. In der höfischen Liebe wird die Frau aber nicht nur wegen ihrer körperlichen Vorzüge geliebt, sondern auch wegen ihrer Tugenden. Diese Tugendliebe führt zu einer amicitas spiritualis. In der höfischen Liebe kontaminieren also verschiedene Typen von Zuneigung. Trotzdem bleibt die Dominanz der Augen und des Sehens als Hauptursache der Liebe bestehen, wie es auch Andreas Capellanus sieht. Vgl. Schnell, Causa amoris, S. 56f.
    Man muss Zeiner also widersprechen, wenn sie dem Sehen im Liebesdiskurs erst ab dem im 13. Jahrhundert beginnenden Averroismus und Aristotelismus eine Signifikanz zuspricht. Sie schreibt dazu: «Mit der Rezeption der aristotelischen Schriften, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts im lateinischen Westen verstärkt einsetzt, ereignet sich im Hinblick auf das Sehparadigma ein fundamentaler Bedeutungswandel», in Zeiner, Der Blick der Liebenden und das Auge des Geistes, S. 75, hält aber an anderer Stelle auch fest, dass Jacopo da Lentini die Liebeskonzeption der prä-sizilianischen Lyrik in seine Lehr-Dichtungen mitaufnimmt. Vgl. ebd., S. 88.
  147. Man muss hier sofort an Petrarcas «jugendliches Irren» denken.
  148. Die italienische Übersetzung folgt Umberto Rizzitano 1958 in: Menocal, The arabic role in medieval literary history, S. 117. Die Anthologie ist die von Ibn al-Qattā (1121 in Kairo gestorben) ad-Durra al-hatira ft shuara’ al-jazira, die leider nur in Auszügen überliefert ist.
  149. Antonelli (a cura di), I poeti della scuola siciliana – Giacomo da Lentini, S. 481.
  150. Vgl. Corrao, «Prefazione», S. 7.
  151. Raoul Schrott, Die Erfindung der Poesie, München 1999, S. 400.
  152. Antonelli (a cura di), I poeti della scuola siciliana – Giacomo da Lentini, S. 423.
  153. Fiore, Über die Beziehungen zwischen der arabischen und frühitalienischen Lyrik, S. 125.
  154. Vgl. auch die Mondvergleiche, die El Omari in ihrer Korpusauswertung bezüglich der spanischen Dichtung findet. Siehe El Omari, Das arabische Element in der spanischen Dichtung des 15. bis 17. Jahrhunderts, S. 148–158.
  155. In: Antonio Pagliaro, «Riflessi di poesia araba in Sicilia» in: Ders., Poesia giullaresca e poesia popolare, Bari 1958, S. 238.
  156. Vgl. ebd., S. 241.
  157. Vgl. ebd., S. 240. Er verweist auf den Anfang eines Verses des berühmten udrītischen Dichters Gamil: «ella è luna in bellezza e le (altre) donne sono stelle.»
  158. Auf Sizilien ebenso wie in Spanien gibt es ein Miteinander der Kulturen. Michele Papa schreibt dazu: «Gli Arabi non furono fanatici oppressori della fede cristiana. Chiusero molte chiese e conventi, lasciandone parecchie aperti dietro il pagamento di un tributo», in: Michele Papa, «Notizie storiche» in: Ders. (a cura di), I poeti arabo-siciliani, S. 25. Francesca Maria Corrao hebt als Gründe für das Miteinander vor allem wirtschaftliche Interessen hervor: «Per rintracciare alcune delle ragioni che favorirono la pacifica convivenza tra gli immigrati, i neoconvertiti, gli ebrei e i cristiani, bisogna guardare oltre le battaglie e le scorrerie per soffermarsi sui vantaggi nell’incremento urbanistico, commerciale, e nel migliorato assetto agricolo delle campagne. Nel crescente benessere economico la coesistenza e la collaborazione, sul piano sociale e amministrativo, tra cristiani e musulmani fu garantita dall’assenza nell’Islam di ogni forma di proselitismo programmato e dalla consuetudine acquista dai musulmani a vivere a contatto di gente di razze e religioni diverse», in: Corrao, «Prefazione», S. 14. Zwar gibt es latenten Widerstand unter der christlichen Bevölkerung, vor allem im Nordosten der Insel, und hin und wieder auch Gewaltakte der arabischen Besatzer, wie 962, als Ahmad Abi al-Husain bei der Rückeroberung Taorminas ein Blutbad unter Christen anrichtet, aber im Grunde herrscht auf der Insel ein friedliches Miteinander. Wie im gesamten dar al-Islam sind Juden und Christen als Vertreter der anderen zwei monotheistischen Religionen nicht völlig rechtlos, sondern «Schutzbefohlene», sogenannte dimmis. Dabei genießen sie das Recht auf Religionsausübung, wenn auch ohne Prozessionen und andere öffentliche Auftritte. Mauro und Sessa halten dazu weiter fest: «Sie [die Christen] waren nicht verpflichtet, die strengen Verhaltensregeln der Muslime zu befolgen, mussten ihnen jedoch als Vertreter der herrschenden Klasse Achtung erweisen, ihnen den Vortritt lassen und in ihrer Gegenwart stehen. Den größten Teil ihres Besitzes durften sie behalten, waren allerdings zur kharadj verpflichtet, einer Art Vermögenssteuer. Auch ihren Sitten und Gebräuchen durften sie weiter nachgehen, allerdings in der Öffentlichkeit nichts tun, was Muslimen verboten war (etwa Wein trinken). Sie durften sich frei bewegen und hatten Anspruch auf Unversehrtheit, mussten dafür jedoch eine Kopfsteuer zahlen (djizja). Grundsätzlich streng verboten war ihnen der Besitz von Waffen. Christliche Priester standen unter staatlichem Schutz und hatten den Status von Geistlichen, doch durften weder Glocken geläutet noch das Kreuz zur Schau gestellt oder in der Öffentlichkeit die Bibel gelesen werden; der Bau neuer Kirchen war untersagt», in: Mauro, Sessa, «Historischer und kunsthistorischer Überblick», S. 45f.
  159. Vgl. «Una volta che si intenda rettamente la metafora della ‹luna› e della ‹stidda diana›, il componimento si dichiara in tutta la sua bella fattura. La prima quartina contiene l’ambientazione dell’incontro fra l’amante e l’amata: ella si affaccia alla finestra accompagnata da due ancelle; nell’oscurità la splendida visione appare all’amante in attesa sulla strada come un lampo che rompa il buio della notte a tramontana. […] Nella quartina seguente si svolge il dialogo fra la dama e l’amante. Ella dichiara il suo cruccio; e il suo dire spezzato coglie la drammaticità della situazione nei suoi motivi essenziali (c’è lu gaitu e gran pena mi duna…). L’amante risponde in termini di cavalleria (…patruna) e la incoraggia a tenersi ferma nella fede, perché egli, che l’ha amata e l’ama ancora, viglia su lei», in: ebd., S. 241f.
  160. Vgl. ebd., S. 243.
  161. Vgl. ebd., S. 244.
  162. Ebd., S. 246.